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Schlagwort: Quelle: BGH

Selbstschädigungsgefahr von Demenzerkrankten: Heimträger müssen ihre Schutzpflichten auf die Krankheitsbilder der Bewohner anpassen

Wer Menschen betreut und pflegt, hat hohe Schutzpflichten übernommen und muss diesen auch gerecht werden. Dieser folgenschwere Fall, der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landete, drehte sich darum, welche Eventualitäten in einem Pflegeheim in Betracht gezogen werden müssen, sobald eine Selbstgefährdung desorientierter Patienten festgestellt wurde.

Ein im Jahr 1950 geborener Mann lebte – hochgradig dement und desorientiert – in einem Pflegeheim und wies demenztypische Symptome wie Lauftendenz, Selbstgefährdung, nächtliche Unruhe und Sinnestäuschungen auf. Das Pflegeheim brachte ihn in einem Zimmer im dritten Obergeschoss unter, das über zwei große Dachfenster verfügte, die gegen ein eigenständiges Öffnen nicht gesichert waren. Der Abstand zwischen dem Fußboden und den Fenstern betrug zwar 120 cm, vor den Fenstern befanden sich jedoch zudem ein 40 cm hoher Heizkörper sowie in 70 cm Höhe eine Fensterbank, über die man stufenweise zur Fensteröffnung gelangen konnte. Es passierte schließlich, was passieren musste: Der Mann fiel aus einem der beiden Fenster und verstarb nach mehreren Operationen. Seine Witwe verlangte nun Schmerzensgeld vom Heimbetreiber.

Der BGH verwies die Angelegenheit zwar an die Vorinstanz zurück, machte aber deutlich, dass ein Schmerzensgeld zu zahlen sein wird. Denn ein an Demenz erkrankter Pflegeheimbewohner darf bei einer Selbstschädigungsgefahr nicht in einem im Obergeschoss gelegenen Wohnraum mit einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht werden. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob ein solcher Unglücksfall nahe lag. Auch eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, löst Sicherungspflichten des Heimträgers aus.

Hinweis: Erfahren Sie von Missständen in Pflegeeinrichtungen, sollten Sie nicht davor zurückschrecken, die entsprechenden Aufsichtsbehörden zu informieren. Dabei kann Ihr Rechtsanwalt behilflich sein.

Quelle: BGH, Urt. v. 14.01.2021 – III ZR 168/19

Thema: Sonstiges

Nach Umbau am Gewerbeobjekt: Unterschreiten der Mietfläche um 10 % berechtigt nicht automatisch zur Mietminderung

Bei Mietobjekten ist die anzumietende Fläche natürlich ein ausschlaggebener Faktor. Und eben deshalb ist immer wieder die Größe Gegenstand von Streitigkeiten, die schließlich vor Gericht landen – hier bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Eine Gewerbemieterin wollte ihrem Vermieter gegenüber eine Mietminderung um 10 % durchsetzen. Sie hatte Räumlichkeiten zum Betrieb einer Ballettschule angemietet. Die Miete sollte für das Mietobjekt, das im Mietvertrag gekennzeichnet war und dessen Fläche insgesamt rund 300 m² betrug, 4.100 EUR betragen. Dann teilte ihr die Vermieterin allerdings mit, dass nach durchgeführten Umbauarbeiten die Skizze falsch sei und die Fläche um insgesamt 10 m2 geringer ausfiel.

Der BGH entschied jedoch, dass die Mieterin dennoch nicht zur begehrten Mietminderung berechtigt war. Zwar lag hier grundsätzlich ein Sachmangel durch die Flächendifferenz vor. Weist bei der Miete von Geschäftsräumen die Mietfläche allerdings eine Größe auf, die um weniger als 10 % unter der im Mietvertrag vereinbarten Fläche zurückbleibt, ist eine Mietminderung zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Mieter hat in diesem Fall jedoch konkret darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass durch die Flächenabweichung der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt sei.

Hinweis: Vermieter und Mieter sollten vor dem Abschluss des Mietvertrags genau die Wohnung ausmessen. So bleibt Streit im Nachhinein erspart.

Quelle: BGH, Urt. v. 25.11.2020 – XII ZR 40/19

Thema: Mietrecht

Baurechtswidrigkeit: BGH gibt Unterlassungsklage der Nutzung eines Offenstalls für Pferde statt

Nachbarschaftsstreitigkeiten gehören zu jenen Klassikern, die Gerichte regelmäßig zu beschäftigen wissen. Dass es nicht ratsam ist, sich bei einem ohnehin angespannten Verhältnis über geltende Bauvorschriften hinwegzusetzen, sollte eigentlich einleuchten. Eine Frau ließ es dennoch darauf ankommen, so dass die folgende Sache bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging.

Die Beklagte hatte für einen Pferdehof im Außenbereich in einer Entfernung von etwa zwölf Metern vom Einfamilienhaus ihrer Nachbarin einen Offenstall für Pferde gebaut – und zwar ohne vorliegende Baugenehmigung. Die entsprechende Erteilung hatte die Bauaufsichtsbehörde nämlich abgelehnt. So war es die logische Folge, dass die Nachbarin gegen die weitere Nutzung als Pferdestall klagte.

Der BGH war ganz auf der Seite der Einfamilienhausbesitzerin. Die Begründung ist ganz einfach: Ein Grundstücksnachbar kann von dem anderen verlangen, die Pferdehaltung in einem Offenstall zu unterlassen, den dieser ohne Baugenehmigung und unter Verstoß gegen das öffentlich-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme errichtet hat.

Hinweis: Ob für ein Gebäude eine Baugenehmigung erforderlich ist, sollte stets rechtssicher geprüft werden – und zwar vorab. Das ist wesentlich günstiger als ein nachträglicher Abriss des Gebäudes.

Quelle: BGH, Urt. v. 27.11.2020 – V ZR 121/19

zum Thema: Mietrecht

VW-Abgasskandal II: Wer die dreijährige Verjährungsfrist nach Bekanntwerden im Jahr 2015 verpasst hat, geht leer aus

Auch in diesem vor dem Bundesgerichtshof (BGH) final behandelten Fall war es die Frage des richtigen oder eben falschen Timings, die den Ausschlag gab. Wenn man berücksichtigt, dass der Kläger 2015 Kenntnis vom VW-Abgasskandal erhielt und erst 2019 Klage erhob, kann man schon erahnen, wie das Urteil ausfiel. Aber der Reihe nach:

Der Käufer erwarb im April 2013 einen von VW hergestellten Touran, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 ausgestattet ist. Dann erlangte er im Jahr 2015 nicht nur allgemein von dem damals aufgedeckten sogenannten Dieselskandal Kenntnis, sondern auch konkret davon, dass sein Fahrzeug hiervon betroffen sei. Doch erst mit seiner im Jahr 2019 eingereichten Klage verlangte der Mann Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Doch das war zu spät. Der BGH bestätigte die Feststellungen des Berufungsgerichts, nach denen der Kläger 2015 von dem sogenannten Dieselskandal allgemein und von der Betroffenheit seines Dieselfahrzeugs Kenntnis erlangt habe. Er wusste somit, dass sein Fahrzeug mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet war, die so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden. Ebenso war klar, dass das Kraftfahrtbundesamt dem Konzern deshalb eine Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge aufgab. Deshalb hätte der Käufer im Hinblick auf die dreijährige Verjährungsfrist bis Ende 2018 Klage gegen VW erheben müssen.

Hinweis: Für die Zumutbarkeit der Klageerhebung und damit den Beginn der Verjährungsfrist bedurfte es nicht näherer Kenntnis des Käufers von den „internen Verantwortlichkeiten“ im Hause von VW. Insbesondere war es nicht erforderlich, die Verwirklichung des Tatbestands des § 826 BGB zuverlässig einer namentlich benannten Person im Hause der Beklagten zuzuordnen.

Quelle: BGH, Urt. v. 17.12.2020 – VI ZR 739/20

Thema: Verkehrsrecht

Gewerbemieter aufgepasst! Als vertraglicher Bestandteil sind Betriebs- und Nebenkosten der Gesamtmiete umsatzsteuerpflichtig

Wenn die Mietvertragsparteien von den gesetzlichen Regelfällen abweichen, wird es diffizil. Denn für Laien ist es schwierig, die Zulässigkeit anderweitiger Vereinbarungen genau zu bewerten. Dass der nachfolgende Fall bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) gehen musste, um Klarheit zu erlangen, zeigt, dass selbst für Profis nicht immer Einigkeit über zulässige Ausnahmen herrscht.

Hierbei ging es um eine Gewerbeimmobilie zu einem monatlichen Mietpreis von 10.500 EUR zuzüglich der Umsatzsteuer. Hierbei hatte sich die Mieterin verpflichtet, sämtliche Nebenkosten zu übernehmen. Soweit Betriebs- und Nebenkosten gegenüber der Vermieterin abgerechnet werden, sollte diese jedoch berechtigt sein, die Kosten zur sofortigen Begleichung bzw. Erstattung an die Mieterin weiterzuleiten. Die Vermieterin hatte nun eine Nebenkostenabrechnung über Grundbesitzabgaben und Versicherungskosten zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer erteilt. Die Mieterin hatte die Beträge bis auf die Umsatzsteuer gezahlt. Die Vermieterin zog daraufhin vor die Gerichte und verlangte auch die Umsatzsteuer – und das zu Recht.

Laut BGH hatten beide Parteien zulässigerweise vertraglich vereinbart, dass auch die Betriebskosten als Bestandteil der Gesamtmiete zuzüglich der jeweils gültigen Umsatzsteuer zu leisten sind.

Hinweis: Wenn im Gewerbemietvertrag eine Abwälzung der Umsatzsteuerpflicht auf den Mieter vereinbart ist, ist diese Verfahrensweise zulässig. Gewerbemieter sollten sich hierzu daher rechtzeitig über rechtliche Möglichkeiten beraten lassen.

Quelle: BGH, Urt. v. 30.09.2020 – XII ZR 6/20

Thema: Mietrecht

VW-Abgasskandal I: Klage nach „zu spätem“ Audi-Kauf bleibt auch vor Bundesgerichtshof erfolglos

Nach mehreren Versuchen musste sich ein Audi-Käufer in Sachen Abgasskandal nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) geschlagen geben, das das erstinstanzliche Urteil bestätigte. Lesen Sie hier, warum.

 

Der Käufer erwarb im Mai 2016 von einem Autohändler einen gebrauchten Audi Q5, der mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist und dessen Motor vom VW-Konzern stammte. Vor dem Erwerb des Fahrzeugs (22.09.2015) hatte VW in einer Ad-hoc-Mitteilung die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der Software bei Dieselmotoren dieses Typs informiert, die auch in anderen Dieselfahrzeugen des Volkswagen-Konzerns vorhanden seien. Dennoch verlangte der Mann in seiner Klage den Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Der BGH hat jedoch das erstinstanzlich klageabweisende Urteil wiederhergestellt. Durch die vom Berufungsgericht festgestellte Verhaltensänderung von VW wurden wesentliche Elemente, die das Unwerturteil ihres bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten, derart relativiert, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gerade gegenüber dem Käufer nicht mehr gerechtfertigt sei. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass im Streitfall ein Fahrzeug der Marke Audi und nicht der Marke VW erworben wurde. Denn VW hatte seine Verhaltensänderung nicht auf seine Kernmarke beschränkt – das Unternehmen hatte bereits in seiner Ad-hoc-Mitteilung darauf hingewiesen, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Dieselfahrzeugen des gesamten Volkswagen-Konzerns vorhanden und der Motor vom Typ EA189 auffällig sei.

Hinweis: Wie der Senat bereits entschieden hatte (BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20), ist für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 Bürgerliches Gesetzbuch in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen.

Quelle. BGH, Urt. v. 08.12.2020 – VI ZR 244/20

Thema: Verkehrsrecht

Verfrühter Scheidungsantrag: Die Auskunft zum Versorgungsausgleich darf nicht einfach so verweigert werden

Mit der Scheidung ist in aller Regel verbunden, dass die von den Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Anrechte der Altersversorgung hälftig verteilt werden. Dazu müssen sie über diese Anrechte Auskunft erteilen. Ob dies in jedem Fall gilt, musste vom Bundesgerichtshof (BGH) beantwortet werden.

Der Mann hatte den Scheidungsantrag mit der Begründung eingereicht, dass das Trennungsjahr abgelaufen sei. Die Frau machte hingegen geltend, die Beteiligten würden gar nicht getrennt leben. Mit dem Scheidungsantrag hatte die Frau zudem einen Fragenbogen erhalten, in dem sie Auskunft über ihre in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften erteilen sollte. Das jedoch verweigerte sie. Da die Voraussetzungen für eine Scheidung ihrer Ansicht nach gar nicht vorlägen, könne es folglich auch zu keinem Versorgungsausgleich kommen, weshalb sie auch keine Auskunft in dieser Hinsicht erteilen werde. Das Gericht setzte daraufhin ein Zwangsgeld gegen die Frau fest – zu Recht, wie der BGH befand.

Wenn ein Scheidungsverfahren eingeleitet wird, startet damit auch ein Verfahren zur Regelung des Versorgungsausgleichs. Das bedeute, dass die vom Gericht geforderte Auskunft zu erteilen sei. Das sage nichts darüber, ob und wie es dann zum Versorgungsausgleich auch tatsächlich komme, das heißt, ob er er dann auch durchgeführt wird. Aber die Weigerung, die Auskunft zu erteilen, sei nicht rechtens. Die Frau hatte deshalb den Fragebogen auszufüllen.

Hinweis: Frühe bzw. verfrühte Scheidungsanträge können in der Praxis ein Problem werden – vor allem, weil dies einen der Ehegatten wirtschaftlich arg benachteiligen kann. Die Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, sind rechtstheoretisch vorhanden, praktisch aber begrenzt. Es bedarf hierzu unbedingt fachkundiger Beratung. Wem deutlich vor Ablauf des Trennungsjahres ein Scheidungsantrag zugestellt wird, der sollte die Dinge deshalb anwaltschaftlich prüfen lassen.

Quelle: BGH, Beschl. v. 30.09.2020 – XII ZB 438/18

Thema: Familienrecht

Schlüssige WEG-Jahresabrechnung: Anfangs- und Endstand der Gemeinschaftskonten und aufgegliederte Einnahmen und Ausgaben genügen

In jeder Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) muss eine jährliche Abrechnung erfolgen. Das ist neben dem Wirtschaftsplan für das Folgejahr eine sich aus dem Gesetz ergebende Selbstverständlichkeit. Wann genau eine solche Abrechnung schlüssig ist, hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) im Folgenden entschieden.

 

Ein Eigentümer ging gegen eine Jahresabrechnung seiner WEG vor. Er meinte, die Jahresabrechnung würde keinen schlüssigen Kontenabgleich erlauben, weil sie Überweisungen vom Sparkonto auf das Girokonto und vom Girokonto auf das Sparkonto als Einnahme bzw. Ausgabe auf den jeweiligen Konten enthalte und das „Minus“ der WEG zu niedrig darstellen würde. Das sah der BGH allerdings anders.

Für eine schlüssige Jahresgesamtabrechnung reichen die Angaben von Anfangs- und Endstand der Gemeinschaftskonten sowie der nach Kostenarten aufgegliederten Einnahmen und Ausgaben aus. Entspricht der Anfangsstand der Gemeinschaftskonten zuzüglich Einnahmen abzüglich Ausgaben dem Endstand der Gemeinschaftskonten, ist die Abrechnung auch in den Augen der BGH-Richter im Grundsatz plausibel.

Hinweis: Auch wenn Eigentümer vielleicht einmal nicht an einer Versammlung teilgenommen haben, sollten sie in jedem Fall das Protokoll genau lesen. Gibt es hierzu Bedenken, sollten sich Eigentümer an den Verwalter wenden – und im Streitfall natürlich an den Rechtsbeistand ihres Vertrauens.

Quelle: BGH, Urt. v. 25.09.2020 – V ZR 80/19

Thema: Mietrecht

Elterliche Rücksichtnahmepflicht: Nachbarn müssen nicht jeglichen Kinderlärm hinnehmen

Nach diesem durchaus überraschenden Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) müssen Mieter nicht jeglichen Kinderlärm aus der Nachbarwohnung hinnehmen.

Es ging um Lärmbeschwerden im Mietshaus. Seit dem Einzug der Obermieter kam fast täglich massiver Lärm durch heftiges Stampfen, Springen, Poltern sowie durch Schreie und sonstige lautstarke familiäre Auseinandersetzungen aus der Wohnung. Diese Lärmstörungen wurden nicht nur durch die Kinder, sondern auch durch die Eltern selbst verursacht und dauerten meistens ein bis vier Stunden an. Selbst Ohrstöpsel halfen nicht. Deshalb klagten die Mieter aus der unteren Wohnung gegen ihren Vermieter auf die Feststellung eines Mietminderungsrechts von 50 %, die Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Miete von knapp 9.000 EUR sowie die Beseitigung der Lärmstörung.

Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen, doch der BGH sah die Angelegenheit anders. Denn das LG hatte die wesentlichen Punkte des Vorbringens zu Art, Intensität, Häufigkeit und Dauer der Lärmstörungen nicht berücksichtigt. Mieter müssen im Hinblick auf die Rücksichtnahmepflicht nicht jeglichen Kinderlärm hinnehmen. Es gibt Grenzen, wann das normale Maß überschritten ist. Diese sind im Einzelfall nach Art, Dauer, Intensität und Häufigkeit sowie nach Alter und Gesundheitszustand des Kindes zu ermitteln. Auch bedarf es keiner Vorlage eines Lärmprotokolls, wenn sich Art, Dauer, Zeit und Häufigkeit aus der Beschreibung der Betroffenen konkret ermitteln lassen.

Hinweis: Mitmieter müssen demnach nicht jeglichen Kinderlärm hinnehmen. Bei wiederkehrenden Lärmstörungen bedarf es nicht der Vorlage eines sogenannten detaillierten Lärmprotokolls. Empfehlenswert ist das jedoch allemal.

Quelle: BGH, Urt. v. 22.08.2017 – VIII ZR 226/16

Thema: Mietrecht

Abstammungsklärung: Die Stellung als Vater wieder loszuwerden, ist nicht einfach

Bringt eine verheiratete Frau ein Kind zur Welt, gilt ihr Mann automatisch als Vater des Kindes. Wird das Kind einer nicht verheirateten Frau geboren, bedarf es einer ausdrücklichen Erklärung oder Feststellung zur Begründung der Vaterschaft. Die Frage, ob man eine Vaterschaft auch wieder loswird, beschäftigte den Bundesgerichtshof (BGH).

Wer als rechtlicher, jedoch nicht leiblicher Vater eines Kindes gilt, kann die Vaterschaft anfechten, sobald er von ihm bisher unbekannten Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen. Aber: Ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung gilt eine Frist von zwei Jahren, um eine solche Anfechtung gerichtlich zu betreiben. Ist die Frist verstrichen, bleibt der rechtliche Vater der Vater – selbst wenn noch so eindeutig feststeht, dass die tatsächliche Situation nicht mit der rechtlichen in Einklang steht.

Unabhängig davon kann der Vater – auch nach Ablauf der Zweijahresfrist – vom Kind und der Mutter verlangen, dass eine genetische Abstammungsuntersuchung durchgeführt wird, um die leibliche Abstammung zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist dann allerdings ohne rechtliche Bedeutung.

Im BGH-Fall hatte ein kinderlos verheirateter Türke mit starkem Kinderwunsch den Sohn eines mit ihm verwandten Ehepaars zu sich genommen und durch Falschangaben im türkischen Geburtenregister als sein Kind eintragen lassen. Die Geburtsurkunde des Kindes wies den Mann, der mit seiner Frau und „seinem“ Kind in Deutschland lebte, ebenso als Vater aus. Dann wurde seine Ehe jedoch geschieden, er heiratete erneut und bekam nun vier „weitere“ Kinder. Er betrieb daraufhin das Verfahren zur Einwilligung zur genetischen Abstammungsuntersuchung.

Das Verfahren verlor er. Als Vater des Kindes könne er ein solches Verfahren zwar betreiben – er ist aber nicht der Vater. Da er das Kind einer verheirateten Frau zu sich genommen hatte, gilt deren Mann als Vater, nicht er. Dass er das Geburtsregister „erfolgreich“ gefälscht hatte, ändert daran natürlich nichts.

Hinweis: Erfreulicherweise ist dieser Fall ein Beispiel dafür, dass einem Fälschungen nicht weiterhelfen.

Quelle: BGH, Beschl. v. 26.07.2017 – XII ZB 125/17

Thema: Familienrecht