Skip to main content

Schlagwort: Quelle: OLG Koblenz

Bleifuß als erhöhter Fahrlässigkeitsgrad: Wer gleich mehrere Temposchilder missachtet, muss mit erhöhtem Bußgeld rechnen

Einmal ist keinmal? Nein – auch nicht im Verkehrsrecht! Wer der Meinung ist, dass es sich schon lohnen muss, wenn man bereits eine ausgeschilderte Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, sollte sich den folgenden Fall zu Gemüte ziehen. Denn hier kennt das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) genausowenig Spaß wie die Vorinstanz.

Im konkreten Fall hatte der Betroffene mit einem Pkw eine Bundesautobahn statt mit den dort zulässigen 100 km/h mit einer Geschwindigkeit von 121 km/h befahren. Die Geschwindigkeitsbeschränkung war vor der Messstelle dreimal beschildert, im Abstand von jeweils rund einem Kilometer. Die Bußgeldbehörde hatte den Verstoß mit der im Bußgeldkatalog festgesetzten Regelgeldbuße von 70 EUR geahndet. Auf den Einspruch des Betroffenen hatte das Amtsgericht (AG) die Geldbuße sogar auf 85 EUR erhöht und zur Begründung darauf verwiesen, dass der Betroffene mit gegenüber dem Regelfall erhöhter Fahrlässigkeit gehandelt habe, als er sein Fahrverhalten trotz mehrfach hintereinander aufgestellter Verkehrszeichen nicht angepasst habe. Hiergegen legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein.

Das OLG hat die Rechtsauffassung des AG bestätigt. Die im Bußgeldkatalog für fahrlässige Verstöße festgelegten Regelgeldbußen gingen von „gewöhnlichen“ Fallgestaltungen aus. Folglich kann von diesen abgewichen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die nicht dem durchschnittlichen Fahrlässigkeitsgrad entsprächen. Und genau dies war bei der mehrfachen Missachtung der Beschilderungen der Fall.

Hinweis: Die Regelgeldbußen gehen von einem durchschnittlichen Fahrlässigkeitsgrad aus. Bei der Missachtung einer Mehrfachbeschilderung ist dieser Maßstab überschritten. Passiert ein Fahrer hintereinander mehrere die Höchstgeschwindigkeit beschränkende Verkehrszeichen, ohne seine Fahrgeschwindigkeit anzupassen, handelt er – wenn nicht gar vorsätzlich – mit gesteigerter Fahrlässigkeit. Deshalb kann gegen ihn ein erhöhtes Bußgeld verhängt werden. Denn es werde durch den Fahrer zum einen die in der Mehrfachbeschilderung liegende besondere Warnung vor einer gefährlichen und unfallträchtigen Stelle ignoriert.

Quelle: OLG Koblenz, Beschl. v. 08.03.2021 – 4 OWi 6 SsRs 26/21

Thema: Verkehrsrecht

Verweigerter Enkel: Großeltern kann nur nach ausführlicher Prüfung ein Umgangsrecht erteilt werden

Großeltern haben einen durchaus nachvollziehbaren Wunsch, ihre Enkel zu sehen. Was können sie tun, wenn ihnen dieser Kontakt verweigert wird?

Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass Großeltern ein Recht auf Umgang mit ihrem Enkel haben. Einzige Voraussetzung: Der Umgang muss dem Wohl des Kindes dienen. Natürlich werden diese behaupten, es diene dem Wohl des Kindes, wenn es Kontakt zu ihnen habe: Es lerne so seine eigene Abstammung kennen, und zudem können Opa und Oma ihm die Welt erklären. Diese allgemeinen Thesen sind allerdings laut Rechtsprechung nicht maßgeblich. Über die eigene Herkunft erfährt das Kind alles Erforderliche von den Eltern, und die Welt kann ihm auch jemand anders erklären.

Beim elterlichen Umgang wird gesetzlich vermutet, dass es dem Wohl des Kindes dient. Diese Vermutung gilt aber nicht für die Großeltern. Im Umgang mit ihnen muss vielmehr ausdrücklich geprüft und nachgewiesen werden, ob es tatsächlich dem Wohl des Kindes dient. Dabei geht es ausschließlich um den Blickwinkel des Kindes – nicht um den der Großeltern.

Es verwirrt auf den ersten Blick, dass ein Umgang mit den eigenen Großeltern dem Wohl des Kindes nicht entsprechen kann. Das kann aber durchaus der Fall sein. Befinden sich Kinder beispielsweise in der Obhut einer Pflegefamilie, da die Verhältnisse in der eigenen Familie zu kompliziert und verworren sind, kann der Kontakt zu den Großeltern das Kind durcheinanderbringen. In solchen Fällen ist entscheidend, in welchem Maß ein bisheriger Kontakt bestand. War dieser bislang regelmäßig, ist er auch in Zukunft regelmäßig aufrechtzuerhalten.

Hinweis: Das Umgangsrecht steht nur den leiblichen Großeltern zu. Angeheiratete Großeltern können es nicht für sich in Anspruch nehmen.

Quelle: OLG Koblenz, Beschl. v. 17.08.2015 – 7 WF 770/15
Thema: Familienrecht

Unterhalt: Wann über veränderte Einkommensverhältnisse ungefragt Auskunft erteilt werden muss

Die Höhe des zu zahlenden Kindes- oder Ehegattenunterhalts richtet sich nach den Einkommensverhältnissen. Sind diese bekannt, kann der Unterhalt errechnet werden. Doch wie geht es in der späteren zeitlichen Entwicklung weiter?

Üblicherweise besteht sowohl auf Seiten des Unterhaltspflichtigen als auch auch auf Seiten des Unterhaltsberechtigten eine gewisse Zurückhaltung, ungefragt über Verbesserungen der eigenen wirtschaftlichen Situation Auskunft zu erteilen. Nicht immer ist dieses Verhalten jedoch auch berechtigt.

Das Gesetz sieht vor, dass bei bestehender Unterhaltspflicht beide Seiten alle zwei Jahre Auskunft über die Einkünfte und das Vermögen verlangen können. In kürzerem Abstand kann diese nur verlangt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der andere in der Zwischenzeit wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat.

Eine ungefragte Auskunftspflicht desjenigen, dessen wirtschaftliche Situation sich wesentlich verbessert hat, sieht das Gesetz zwar nicht vor; die Rechtsprechung hat sie aber durchaus für die Praxis entwickelt. Dabei unterscheidet sie, ob die bestehende Unterhaltsverpflichtung durch eine gerichtliche Entscheidung erfolgt ist – das heißt durch einen richterlichen Beschluss – oder durch eine einvernehmliche Regelung – also einen Vergleich. Bei Regelung des Unterhalts durch einen Richterspruch soll demnach keine ungefragte Auskunftspflicht bestehen. Haben sich die Ehegatten bzw. Eltern und Kinder auf den zu zahlenden Unterhalt verständigt, sieht es dagegen anders aus. Dann ist der andere bei einer wesentlichen Steigerung des eigenen Einkommens oder Vermögens unaufgefordert über die Veränderung zu informieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vereinbarung (der Vergleich) außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens geschlossen wurde oder im Rahmen eines solchen zur Vermeidung einer gerichtlichen Entscheidung.

Hinweis: Wer als Unterhaltsberechtigter gegen die Verpflichtung, ungefragt Auskunft zu erteilen, verstößt, kann seinen Unterhaltsanspruch verwirken.

Quelle: OLG Koblenz, Beschl. v. 24.04.2015 – 13 UF 165/15
Thema: Familienrecht

Kind im Studium: Unterhaltsverpflichtungen richten sich nicht nach Regelstudienzeiten

Eltern müssen für ihre Kinder Unterhalt leisten. Diese Unterhaltspflicht besteht unter normalen Umständen so lange, bis die Kinder eine Ausbildung absolviert haben. Immer wieder ist jedoch die Frage, was hierbei unter „normalen Umständen“ zu verstehen ist.

Dies insbesondere dann, wenn Unterhalt für einen Studenten zu bezahlen ist. Denn die universitäre Ausbildung ist zeitlich nicht so klar strukturiert wie ein normaler Ausbildungsberuf. Das gleiche Studium dauert nicht bei jedem Studenten gleich lang. Zudem entwickelt sich nicht jedes Studium gleich.

Es gibt für jedes Studium eine Regelstudienzeit. Diese allein ist aber nicht maßgeblich, wenn sich die Frage stellt, wie lange jemand studieren darf bzw. wie lange dafür Unterhalt zu leisten ist. Es sind dabei immer die Umstände des Einzelfalls zu betrachten.

So begann eine Studentin im Wintersemester 2008/2009 ihr Studium in Französisch und Italienisch. Ihr Berufsziel war es, Lehrerin zu werden. Die Regelstudiendauer betrug zehn Semester, also fünf Jahre.

Im Wintersemester 2011/2012 nahm die Studentin zusätzlich den Studiengang Latein auf, um ihre späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Als sie dann mit dem 13. Semester begann, stellte der Vater die Unterhaltszahlungen ein. Das Oberlandesgericht Koblenz sprach dem Vater die Berechtigung dazu ab. Bis zum Wintersemester 2015/2016 habe er vielmehr weiterzuzahlen.

Hinweis: Bis wann Kindesunterhalt zu zahlen ist, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Wechsel im Ausbildungsgang, Studienwechsel oder Erweiterungen im Ausbildungsgang sind häufig. Es gibt zu diesen Konstellationen unterschiedliche Rechtsprechung, die im Fluss ist und sich entwickelt. Es ist daher angeraten, sich bei diesbezüglichen Fragen fachkundigen Rat einzuholen. Dies kann auch dazu beitragen, eine eventuelle Auseinandersetzung auf der Beziehungsebene kontrolliert zu führen.

Quelle: OLG Koblenz, Beschl. v. 24.04.2015 – 11 WF 317/15
Thema: Familienrecht