Skip to main content

Schlagwort: rechtsmissbräuchlich

Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten: Notarielles Nachlassverzeichnis kann auch bei behaupteter Überschuldung verlangt werden

Um Pflichtteilsansprüche geltend machen zu können, muss der Berechtigte den Wert des Nachlasses kennen. Daher steht ihm gegen den Erben ein Auskunftsanspruch zu, der auch die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses umfasst.


Er muss sich dabei nicht auf ein durch den Erben selbsterstelltes Nachlassverzeichnis verlassen, sondern kann fordern, dass ein notarielles Nachlassverzeichnis durch einen Notar erstellt wird. Der Erbe kann dies nur verweigern, wenn eine solche Forderung rechtsmissbräuchlich wäre.

Ein Ehepaar setzte sich in einem Erbvertrag gegenseitig als Erben ein. Nach dem Tod des Mannes verlangte der Sohn des Ehepaars seinen Pflichtteil und Auskunft über den Wert des Nachlasses. Die Ehefrau des Erblassers übersandte ihm ein von ihr erstelltes Nachlassverzeichnis mit Belegen, das ihr Sohn jedoch für lückenhaft hielt. Er forderte daraufhin ein notarielles Verzeichnis und bot an, die Kosten dafür zu tragen. Dies verweigerte seine Mutter jedoch mit der Begründung, dass der Nachlass überschuldet und die Forderung eines weiteren Nachlassverzeichnisses rechtsmissbräuchlich sei.

Das Gericht entschied, dass es nicht rechtsmissbräuchlich ist, wenn neben dem privatschriftlichen auch ein notarielles Verzeichnis gefordert wird. Der Erbe kann die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zwar verweigern, wenn im Nachlass nicht genügend Geld vorhanden ist, um die Notarkosten zu decken. Diese Dürftigkeitseinrede darf der Erbe jedoch nicht vorbringen, wenn der Pflichtteilsberechtigte bereit ist, die Kosten für das Verzeichnis selbst zu tragen und im Voraus direkt an den Notar zu entrichten.

Hinweis: Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten ist ein wichtiges Recht, das nur in Ausnahmefällen verwehrt werden darf – zum Beispiel in denen Rechtsmissbrauch oder Schikane vorliegt. Die Dürftigkeitseinrede kann der Betroffene zudem aushebeln, indem er die Notarkosten übernimmt. Ist also zu erwarten, dass durch die Beteiligung eines Notars bislang unbekannte Vermögenswerte im Nachlass auftauchen, kann es lohnenswert sein, die Kosten für die Erstellung des Verzeichnisses zu übernehmen.

Quelle: OLG München, Urt. v. 01.06.2017 – 23 U 3956/16

Thema: Erbrecht

Abbruchjäger bei eBay: Bundesgerichtshof schiebt Rechtsmissbrauch bei Onlineauktionen den Riegel vor

Die Rechtsprechung zur Verkaufsplattform eBay ist nun um eine wichtige Facette reicher.

Ein Verkäufer bot ein Motorrad auf eBay zum Startpreis von 1 EUR zum Verkauf an. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nahm das Angebot an und gab ein Maximalgebot von 1.124 EUR ab. Der Verkäufer brach die Auktion jedoch wegen falsch eingetragener Artikelmerkmale bereits am ersten Tag ab und stellte das Motorrad später mit korrigierten Angaben erneut ein. Erst sechs Monate später forderte die Gesellschaft den Verkäufer auf, ihr das Motorrad zum Preis von 1 EUR zu überlassen. Da es zwischenzeitlich jedoch an jemand anders verkauft worden war, verlangte die Gesellschaft den Wert des Motorrads von 4.900 EUR. Noch vor der Zustellung der Klage wurde die Forderung an den Verwalter der Gesellschaft unentgeltlich abgetreten.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen, da die Forderung rechtsmissbräuchlich war. Der Verwalter der Gesellschaft habe als sogenannter Abbruchjäger vor allem das Ziel verfolgt, im Fall eines vorzeitigen Auktionsabbruchs Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Allein im Sommer 2011 habe er bei eBay Gebote von insgesamt 215.000 EUR abgegeben. Dann habe er – jedes Mal unter Beantragung von Prozesskostenhilfe – vier Gerichtsverfahren eingeleitet. Zudem habe er mit der Geltendmachung von Forderungen mehr als ein halbes Jahr gewartet – mit der durchaus naheliegenden Erwartung, dass die Ware zwischenzeitlich anderweitig verkauft wurde.

Im vorliegenden Fall war die Klage bereits mangels Prozessführungsbefugnis als unzulässig abzuweisen. Zwar kann auch der Verkäufer einer Forderung zur Vermeidung eigener Ersatzverpflichtungen ein eigenes berechtigtes Interesse daran haben, die abgetretene Forderung gerichtlich geltend zu machen. Hier wurden die Rechte aus dem eBay-Geschäft aber nicht verkauft, sondern unentgeltlich an den Verwalter der Gesellschaft übertragen.

Hinweis: Abbruchjäger verfolgen das Ziel, im Fall eines vorzeitigen Auktionsabbruchs Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Mit diesem Urteil ist nun klargestellt, dass ein solches Verhalten rechtsmissbräuchlich ist.

Quelle: BGH, Urt. v. 24.08.2016 – VIII ZR 182/15
Thema: Sonstiges

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Europäischer Gerichtshof bremst vorgetäuschte Bewerbungen zu reinen Klagezwecken

Personen, die lediglich Bewerbungen schreiben, um Entschädigungszahlungen kassieren zu können, werden von den Gerichten nicht unterstützt.

Ein älterer Bewerber, ein als sogenannter AGG-Hopper (AGG = Allgemeines Gleichstellungsgesetz) inzwischen bundesweit bekannter Rechtsanwalt, bewarb sich bei einer Versicherung auf eine als „Trainee“ ausgeschriebene Stelle. Die Stellenanzeige forderte unter anderem einen „sehr guten Hochschulabschluss“, der „nicht länger als ein Jahr“ zurückliege oder „innerhalb der nächsten Monate“ erfolge. Auf seine Bewerbung erhielt der Anwalt folglich eine Absage. Daher machte er Ansprüche wegen einer vermeintlichen Diskriminierung geltend. Die Versicherung lud den Rechtsanwalt daraufhin zu einem Bewerbungsgespräch ein und erklärte, die Absage habe auf einem Versehen beruht. Das lehnte der Anwalt ab. Als er jedoch erfuhr, dass die juristischen Trainee-Stellen ausschließlich mit weiblichen Kandidaten besetzt worden waren, machte er weitere Entschädigungsansprüche geltend.

Das Bundesarbeitsgericht hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nun die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob auch derjenige, der sich bei einem potentiellen Arbeitgeber nur deshalb bewirbt, um den Status eines Bewerbers zu erlangen, ebenfalls den Schutz des dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zugrundeliegenden Unionsrechts beanspruchen kann. Der EuGH hat nun entschieden, dass zum einen derjenige nicht den Schutz der Richtlinien zur Antidiskriminierung und Gleichbehandlung von Mann und Frau beanspruchen kann, der keinen Zugang zu einer Beschäftigung begehrt, sondern sich nur auf eine Stelle bewirbt, um auf Grundlage des formalen Status als Bewerber Zugang zu Entschädigungsansprüchen zu erlangen. Zum anderen kann ein solches Verhalten auch nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts rechtsmissbräuchlich sein.

Hinweis: In der Praxis ist es allerdings für Arbeitgeber weiterhin sehr schwierig zu beweisen, dass es sich tatsächlich um eine nicht ernst gemeinte Bewerbung gehandelt hat.

Quelle: EuGH, Urt. v. 28.07.2016 – C-423/15
Thema: Arbeitsrecht