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Schlagwort: Schadensfall

Mithaftung bei Unfällen: Erhöhte Betriebsgefahr bei Geschwindigkeiten oberhalb der Richtgeschwindigkeit

Wer sein Fahrzeug auf Autobahnen deutlich über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h steuert, muss im Schadensfall mit einer Teilschuld rechnen, da eine solche Ausgangsgeschwindigkeit als betriebsgefahrerhöhend berücksichtigt wird. Dies wird auch im Fall des Oberlandesgerichts Schleswig (OLG) deutlich.

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Harte Landung: Ein erlittener Bandscheibenvorfall ist nicht als schadenspflichtiger Flugunfall zu werten

In den letzten Jahren sind die Fluggastrechte erfolgreich ausgebaut worden. Dass es deshalb nicht für jeden individuellen Schadensfall auch gleich Schadensersatz und Schmerzensgeld von einer Airline gibt, sorgte für die Klägerin im folgenden Fall für eine gleich doppelt harte Landung – zuerst auf der Landebahn, dann vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Eine Flugpassagierin machte geltend, dass sie wegen einer harten Landung einen Bandscheibenvorfall erlitten habe, und verlangte die Zahlung von 69.000 EUR von der Airline. Die Frau führte dabei an, dass die harte Landung einen Unfall im Sinne des Übereinkommens von Montreal darstelle. Dieses Abkommen regelt Haftungsfragen im internationalen zivilen Luftverkehr und gilt auch in der EU. Die Airline dagegen war der Auffassung, dass es sich nicht um einen Unfall handeln würde, sondern vielmehr um ein typisches Ereignis während eines Flugs.

Dieser Meinung hat sich der EuGH angeschlossen, der einen Pilotenfehler nicht erkennen konnte. Die harte Landung war auf dem Flughafen aus flugtechnischer Sicht sogar sicherer als eine zu weiche Landung. Es war einzig und allein entscheidend, ob die Landung korrekt nach den Vorschriften vorgenommen wurde – und genau das war der Fall gewesen.

Hinweis: Eine sogenannte harte Landung nach einem Flug ist also nicht immer als Unfall anzusehen, der zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet. Der Fall zeigt aber auch, dass gerade und insbesondere im Reiserecht der Rechtsanwalt des Vertrauens konsultiert werden sollte.

Quelle: EuGH, Urt. v. 12.05.2021 – C-70/20

Thema: Sonstiges

Keine Aufsichtspflichtsverletzung: Gesteigerte Sorgfaltspflichten von Autofahrern gegenüber Kindern sind bindend

Bei Kindern ist im Straßenverkehr doppelte Vorsicht geboten. Dass man sich im Schadensfall nämlich nicht einfach auf die Aufsichtspflicht der Eltern berufen kann, zeigt das folgende Urteil des Landgerichts Osnabrück (LG) in einem Fall, in dem ein Achtjähriger nahe eines Zebrastreifens den Wagen einer Frau beschädigte.

Die Klägerin befuhr mit ihrem Auto innerorts eine Hauptverkehrsstraße. In entgegengesetzter Fahrtrichtung kam ihr der achtjährige Sohn der späteren Beklagten auf dem Fahrrad entgegen. Er war alleine auf dem Gehweg unterwegs. In unmittelbarer Nähe eines Zebrastreifens fuhr das Kind auf die Straße, um sie zu überqueren. Dabei stieß es mit dem Fahrzeug der Klägerin zusammen. An dem Auto entstand Sachschaden. Diesen verlangte die Klägerin von der Mutter des Kindes ersetzt. Sie ist der Ansicht, die Mutter habe ihre Aufsichtspflicht verletzt, indem sie ihren Sohn an der Hauptverkehrsstraße habe alleine mit dem Fahrrad fahren lassen.

Die Klage hatte weder in der ersten noch in der zweiten Instanz Erfolg. Das zuerst mit der Sache vertraute Amtsgericht argumentierte, die Klägerin habe sich nicht so verhalten, dass eine Gefährdung des Kindes ausgeschlossen gewesen wäre. Der Unfall habe sich in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit einem Zebrastreifen ereignet, der Achtjährige sei im Begriff gewesen, die Straße im Bereich des Zebrastreifens zu überqueren. Dass er hierzu schon zweieinhalb bis drei Meter vor dem Zebrastreifen ansetzte, sei hierbei unerheblich. Gerade bei Kindern sei es nicht unüblich, dass sie in einem Bogen (und nicht in einem 90-Grad-Winkel) auf den Zebrastreifen auffahren. Das LG hat diese Ansicht bestätigt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil die Mutter des Kindes ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt hatte.

Hinweis: Ein achtjähriges Kind, das sein Fahrrad im Allgemeinen hinreichend sicher beherrscht, über Verkehrsregeln eindringlich von den Eltern unterrichtet wurde und sich über eine gewisse Zeit im Verkehr bewährt hat, darf nach der Rechtsprechung auch ohne eine Überwachung durch die aufsichtspflichtigen Eltern mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen – beispielsweise, um zur Schule zu fahren oder einen sonst bekannten, geläufigen Weg zurückzulegen. Eine Aufsichtspflichtverletzung liegt im Ernstfall dann nicht vor.

Quelle: LG Osnabrück, Urt. v. 08.10.2020 – 6 S 150/20

Thema: Verkehrsrecht

Verkehrssicherungspflichten in Waschstraßen: Betreiber muss auf die Gefahr durch Parksperrenaktivierung neuerer Fahrzeugtypen hinweisen

Die Kombination von Waschstraßen und der Haftung im Schadensfall ist ein um einiges breiter gefasstes Thema, als man mutmaßt. Dass dies allerdings vor allem auch daran liegt, dass technische Neuerungen auch immer neue Herausforderungen an Waschstraßenbetreiber und natürlich ebenso Fahrzeugführer stellen, beweist der folgende Fall des Amtsgerichts München (AG).

Ein Autofahrer befuhr mit seinem Fahrzeug eine Waschstraße ohne Hinweis darauf, dass bei modernen Fahrzeugen dieser Art für eine sichere Benutzung der Waschstraße das Einschalten der Zündung während des Durchlaufens der Waschstraße erforderlich ist. Der ausgehängte Warnhinweis lautete lediglich: „Gang raus, Automatik ,N‘, Motor abstellen, Nicht lenken, Nicht bremsen.“ Schließlich wurde das Fahrzeug während des Waschvorgangs zweimal aus der Schleppkette herausgehoben und dabei beschädigt. Ein Umstand, der nachvollziehbarerweise vor Gericht landete.

Ausschlaggebend war dabei die Aussage des Gutachters. Demnach greift bei moderneren automatikgetriebenen Fahrzeugen bei ausgeschalteter Zündung eine Parksperre. Dieser Umstand kann bei der Sicherheitsrolle und einem für den Radstand zu kurzen Rollenabstand zum Herausheben aus der Schlepprolle führen, und zwar dann, wenn zu diesem Zeitpunkt die Parksperre – etwa durch Betätigung der Zündung – wieder aufgehoben wird. Waschstraßen seien wie hier oft noch nicht auf die immer länger werdenden Radabstände neuerer Fahrzeugtypen eingestellt. Ein entsprechend notwendiger Hinweis wurde an die Nutzer der Waschstraße aber nicht erteilt. Und so war die Haftungsfrage klar: Das AG hat den Betreiber der Waschstraße, der hierdurch gegen seine Verkehrssicherungspflichten verstoßen hatte, zu Schadensersatz verurteilt.

Hinweis: Den Benutzer der Waschstraße trifft hier kein Mitverschulden, weil er nicht wissen konnte, dass aufgrund der Länge seines Fahrzeugs sowie der Größe der Radabstände dies dazu führen würde, dass das Fahrzeug aufgrund des eigentlichen „Schutzeffekts“ der Sicherheitsrolle aus der Schleppkette heraus und nach rechts getragen werden würde.

Quelle: AG München, Urt. v. 06.09.2018 – 213 C 9522/16

Thema: Verkehrsrecht

Obliegenheitspflichten: Wann ist eine Schadensfallmeldung unverzüglich?

Ein Versicherungsnehmer begeht keine sogenannte Obliegenheitsverletzung, wenn er seiner Kaskoversicherung einen Wildunfall erst einen Tag nach dem Schadensereignis meldet.

Eine Pkw-Fahrerin kollidierte am 11.11.2012 mit einem die Straße überquerenden Wildschwein. Am 12.11.2012 meldete sie ihrer Kaskoversicherung den Schadensfall. Die Versicherung erklärte, dass ein Sachverständiger das Fahrzeug in Augenschein nehmen würde, um die Höhe des Schadens festzustellen. Die Besichtigung erfolgte am 15.11.2012. Auf Verlangen der Versicherung meldete die Geschädigte den Wildunfall am 20.11.2012 bei der Polizei. Die Versicherung lehnte eine Regulierung des Schadens letztendlich unter anderem mit der Begründung ab, dass ihr der Schadenfall erst verspätet gemeldet worden sei.

Nach Auffassung des Amtsgerichts Kaiserslautern hat die Versicherungsnehmerin und Geschädigte nicht gegen Obliegenheitspflichten aus dem Versicherungsvertrag verstoßen, da sie den Versicherungsfall unverzüglich angezeigt hatte – denn „unverzüglich“ bedeutet im Versicherungsrecht nicht, dass der Versicherungsfall noch am selben Tag mitgeteilt werden muss. Einerseits gebietet schon das allgemeine Rechtsschutzinteresse, den Erklärungsgegner – also die Versicherung – nicht länger als unvermeidlich im Ungewissen zu lassen. Andererseits ist dem Versicherungsnehmer aber auch ein je nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessender Zeitraum zuzubilligen. Dass die Besichtigung des Fahrzeugs durch den Sachverständigen erst am 15.11.2012 erfolgte, kann nicht der Versicherungsnehmerin angelastet werden, da sie den Sachverständigen nicht beauftragt hat. Für die Frage einer rechtzeitigen Schadensmeldung ist im Übrigen ohne Bedeutung, dass der Vorfall der Polizei erst am 20.11.2012 gemeldet wurde.

Hinweis: Das Urteil zeigt, dass es nach Eintritt eines Versicherungsfalls extrem wichtig ist, sich die Versicherungsbedingungen anzusehen. Hieraus ergibt sich, welche Obliegenheiten den Versicherungsnehmer nach Eintritt eines Versicherungsfalls treffen. Werden diese Obliegenheiten nicht eingehalten, kann der Versicherungsschutz ganz oder zumindest teilweise entfallen.

Quelle: AG Kaiserslautern, Urt. v. 11.12.2015 – 4 C 575/13
Thema: Verkehrsrecht