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Schlagwort: Schätzung

Vorenthaltung der Mietsache: Vermieter darf bei nicht geräumter Wohnung Nutzungsausfall in Höhe der Marktmiete verlangen

Wer sich bei dem vorherrschend angespannten Wohnungsmarkt zum Wohnungswechsel entscheidet, sollte sich wirklich sicher sein. Denn ein Hin und Her wird von Vermietern in den seltensten Fällen akzeptiert, und wenn man nicht wie vereinbart das Feld räumt, kann es zudem teuer werden – so wie im folgenden Fall des Amtsgerichts Brandenburg (AG).


Die Mieter des Falls hatten ihr Mietverhältnis im September zum 31.12. gekündigt. Dann überlegten sie es sich doch anders und übermittelten den Vermietern ein Schreiben, in dem sie die Kündigung zurücknahmen. Damit hielten sie ihre Kündigung für erledigt und zogen auch nicht zum 31.12. aus, sondern erst im Juni des Folgejahres. Der Vermieter forderte nun für die Zeit von Januar bis Juni eine Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Marktmiete – und diese war höher als die vereinbarte Miete. Schließlich klagten die Vermieter vor dem AG – mit großem Erfolg.

Die „Rücknahme“ einer Kündigung ist nur einvernehmlich möglich. Der Vermieter konnte eine Nutzungsentschädigung verlangen und dabei statt der vereinbarten Miete die ortsübliche Marktmiete verlangen – jene Miete, die im Fall einer Neuvermietung erzielt werden kann. Die konkrete Höhe dieser „Marktmiete“ kann im Zweifel durch das Gericht auch im Wege einer Schätzung ermittelt werden. Die Miete wird dann anhand des örtlichen Mietspiegels ermittelt, häufig zuzüglich eines Zuschlags von 10 %.

Hinweis: Ein Mieter, der nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht auszieht, läuft also Gefahr, mehr bezahlen zu müssen als die bisher geschuldete Miete – vom Stress einer gerichtlichen Auseinandersetzung ganz zu schweigen.

Quelle: AG Brandenburg, Urt. v. 16.06.2021 – 31 C 51/20

Amtsermittlungsgrundsatz: Nachlassgerichte müssen Festsetzung des Geschäftswerts auf eigene Ermittlungsergebnisse stützen

Wenn ein oder mehere Erben sich weigern, an der Wertermittlung des Nachlasses mitzuwirken, greift das Nachlassgericht mit einer entsprechenden Schätzung ein. Dass aber auch für das Gericht gilt, sich hierfür auf handfeste Ergebnisse eigener Ermittlungen zu stützen, zeigt das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (OLG).

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Kritische Würdigung des Beweiswerts: Die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes darf nicht auf gefühlten Eindrücken basieren

Für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes genügt die bloße gefühlsmäßige Schätzung eines zufällig anwesenden Polizeibeamten nicht, um zuverlässig entscheiden zu können, ob nur ein einfacher oder ein qualifizierter Rotlichtverstoß vorliegt.

Ein Autofahrer missachtete ein geltendes Rotlicht, woraufhin ein aus dem Querverkehr in die Kreuzung einfahrendes Polizeifahrzeug nur durch ein umsichtiges Ausweichfahrmanöver einen Zusammenstoß mit dem Rotlichtsünder vermeiden konnte. Der Betroffene wurde zu einer Geldbuße und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt, da die Rotphase länger als eine Sekunde andauerte. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass die Dauer der Rotphase von drei bis fünf Sekunden nicht hinreichend durch die Aussagen der Polizeibeamten belegt war. Für die Feststellung, ob es sich um einen sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoß oder nur um einen einfachen gehandelt habe, genügt die bloße gefühlsmäßige Schätzung eines zufällig beobachtenden Polizeibeamten nicht. Soll durch Zeugenbeweis ohne technische Hilfsmittel ein qualifizierter Rotlichtverstoß bewiesen werden, ist eine kritische Würdigung des Beweiswerts der Aussagen geboten. Die Anforderung darf hier nicht niedriger sein als bei einer gezielten Kreuzungsüberwachung im Hinblick auf Rotlichtverstöße.

Hinweis: Ob ein einfacher oder qualifizierter Rotlichtverstoß vorliegt, hat für den Betroffenen erhebliche Bedeutung. Kommt es nicht zu einer Gefährdung oder Sachbeschädigung, ist bei einem Rotlichtverstoß von weniger als einer Sekunde lediglich eine Geldbuße von 90 EUR vorgesehen, die mit einem Punkt geahndet wird. Bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß hingegen drohen eine Geldbuße von 200 EUR, ein einmonatiges Fahrverbot und zwei Punkte im Fahreignungsregister.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 24.10.2017 – 4 RBs 404/17

Thema: Verkehrsrecht