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Schlagwort: Schmerzensgeld

Körperliche Unversehrtheit verletzt: Wer sich als professioneller Tätowierer verkauft, muss auch wie ein solcher arbeiten

Wie die Zeiten sich ändern: Tattoos gehören heutzutage zum Mainstream. Das hat naturgemäß zur Folge, dass viele Menschen sich bei der Auswahl der aus dem Boden geschossenen Studios nicht mehr die Zeit nehmen, die eine solche dauerhafte Verschönerung verdienen sollte. Wenn dann folglich Vorstellung und Umsetzung stark differieren, ist eine Tätowierung gleich doppelt bis dreifach so schmerzhaft.

Eine Frau ließ sich auf ihrem linken Unterarm für 100 EUR folgendes Tattoo stechen: „Je t´aime mon amour, Tu es ma vie, Nous Ensemble Pour Toujours, L. ♥ A.“ Das Ergebnis war aus Sicht der Kundin dann jedoch alles andere als zufriedenstellend: Aus ihrer Sicht war der gesamte Schriftzug verwaschen, unleserlich und nicht in einer einheitlichen Größe gestochen, die Abstände der verschiedenen Wörter und Zeilen waren teilweise unterschiedlich, einzelne Wörter waren schief, die Linienführung mangelhaft, verwaschen, nicht durchgehend und an einzelnen Stellen ausgefranst. Sie klagte deshalb u.a. ein Schmerzensgeld ein.

Das Gericht bestätigte die offensichtlich mangelhaft durchgeführte Umsetzung. Jeder Tätowierwillige darf bei seiner Einwilligung zum Stechen grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Behandlung fehlerfrei und handwerklich nach den branchenüblichen Regeln der Kunst verläuft. Ein Gutachter bestätigte ferner, dass einem Profi – und als solchen bezeichnete sich die Beklagte – solche Fehler nicht unterlaufen dürfen. Die Klägerin erhielt vom Gericht daher 1.000 EUR Schmerzensgeld zugesprochen sowie den Anspruch auf Rückzahlung der für das Stechen und Nachbessern bereits gezahlten 100 EUR. Zudem müssen der Frau, deren körperliche Unversehrtheit verletzt wurde, sämtliche Folgeschäden – wie die Entfernung der mangelhaften Tätowierung – ersetzt werden.

Hinweis: Dieser Fall zeigt sehr schön, welche Mängelgewährleistungsansprüche bestehen können. Wer in seiner körperlichen Unversehrtheit verletzt wird, hat einen Anspruch auf Schadensersatz – selbst in Fällen, bei denen sich Menschen freiwillig einer schmerzhaften Prozedur unterziehen.

Quelle: AG München, Urt. v. 13.04.2017 – 132 C 17280/16
Thema: Sonstiges

Mangelhafte Silikonimplantate: Der TÜV ist für nachträgliche Produktverfälschungen nicht in Regress zu nehmen

Der Fall über mangelhafte Silikonimplantate aus Frankreich ging durch die Medien.

Die Klägerin dieses Falls hatte sich Silikonbrustimplantate einsetzen lassen, die von einem in Frankreich ansässigen Unternehmen hergestellt worden waren. Dieses hatte hierfür allerdings nur minderwertiges Industriesilikon verwendet – mit der Folge, dass die Implantate wieder entfernt werden mussten und die Frau ein Schmerzensgeld von mindestens 40.000 EUR verlangte. Da das französische Unternehmen insolvent war, klagte sie gegen den TÜV Rheinland, der die Angelegenheit angeblich nicht ordnungsgemäß überwacht hatte. Der TÜV Rheinland war hierbei nämlich mit den erforderlichen Prüfungen nach den medizinrechtlichen Regelungen beauftragt worden. Diese Prüfungen hatte der TÜV auch tatsächlich durchgeführt – allerdings an ordnungsgemäßen Implantaten, die der Hersteller später durch minderwertige Implantate ersetzt hatte. Die Frau meinte nun, der TÜV Rheinland hätte unter anderem unangemeldete Inspektionen durchführen müssen, um die ausgewiesene Produktsicherheit garantieren zu können.

 

Doch das sah der Bundesgerichtshof anders. Der TÜV war nicht verpflichtet, unangemeldete Inspektionen durchzuführen, Produkte zu prüfen und/oder Geschäftsunterlagen zu sichten. Es lagen keinerlei Hinweise vor, die darauf hindeuteten, dass die medizinischen Anforderungen möglicherweise gar nicht erfüllt waren.

Hinweis: Der TÜV Rheinland musste also keine zusätzlichen Prüfungen durchführen, da überhaupt keine Hinweise vorlagen, dass die in Einsatz gebrachten Brustimplantate mangelhaft waren. Das Urteil wird auch für andere Produkte Anwendung finden, die ein entsprechendes Prüfsiegel aufweisen.

Quelle: BGH, Urt. v. 22.06.2017 – VII ZR 36/14

  Sonstiges

Intimes im Netz: Das nicht autorisierte Hochladen von Bildern kann zu empfindlichen Strafen führen

Wer Fotos heimlich und ohne Wissen des Fotografierten veröffentlicht, muss mit empfindlichen Forderungen rechnen.

Ein junges Paar war miteinander liiert und der Mann machte Fotos beim gemeinschaftlichen Oralverkehr. Als die Beziehung endete, stellte er die Fotos im Internet ein. Die Ex-Freundin erlitt dadurch eine sich über mehrere Jahre erstreckende psychische Erkrankung, da insbesondere Freunde und Bekannte des Paars die Bilder gesehen hatten. Sie klagte deshalb Schadensersatz und Schmerzensgeld ein.

Das Gericht sprach ihr 7.000 EUR zu. Es hatte berücksichtigt, dass der Ex-Freund noch sehr jung und im Zeitpunkt des Hochladens des Bilds stark alkoholisiert gewesen war. Außerdem wohnte die Frau mittlerweile in einer anderen Stadt, so dass das Gericht davon ausging, dass sie mit dem Foto nicht mehr konfrontiert werden wird. Der gravierendste Punkt: Das Foto war damals im gegenseitigen Einvernehmen beider Partner gemacht worden.

Hinweis: Wird ein Foto ohne Zustimmung der abgebildeten Person im Internet veröffentlicht, kann die Zahlung von Schmerzensgeld und die Zahlung einer Geldentschädigung gerechtfertigt sein. Das gilt erst recht, wenn es sich um ein intimes Foto handelt. 
  
 
 Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 20.02.2017 – 3 U 138/15

  Sonstiges

Leichtsinniger Fußgänger: Wer eine Fahrbahn ohne die gebotene Vorsicht überquert, trägt die alleinige Haftung

Ein Fußgänger hat beim Überqueren der Fahrbahn den vorrangigen Fahrzeugverkehr zu beachten.

Bei Dunkelheit wollte ein Fußgänger eine innerstädtische Straße überqueren. Dabei wurde er von einem Pkw angefahren und schwer verletzt. Von der Haftpflichtversicherung des Autofahrers verlangte er deshalb Schadensersatz und Schmerzensgeld auf der Grundlage einer Haftungsquote von 2/3.

Das Oberlandesgericht Dresden ging im vorliegenden Fall jedoch von einer alleinigen Haftung des Fußgängers aus, der grob verkehrswidrig die Fahrbahn überquert hatte. Er ist nämlich seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, den vorrangigen Fahrzeugverkehr zu achten. Vor dem Betreten und Überschreiten der Fahrbahn muss ein Fußgänger besondere Vorsicht walten lassen. Verstößt ein Fußgänger hiergegen und achtet nicht auf ein sich annäherndes Fahrzeug, handelt er in der Regel grob fahrlässig. Dies ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass der Fußgänger von seinem Standpunkt aus die Fahrbahn gut einsehen konnte und den mit Abblendlicht herankommenden Pkw bei Beachtung der gebotenen Vorsicht gar nicht hätte übersehen können. Dabei hätte ihm außerdem bewusst sein müssen, dass er mit seiner dunklen Jacke ohne Reflektoren für einen Pkw-Fahrer bei der bestehenden Dunkelheit nur schwer erkennbar ist. Das Betreten der Fahrbahn war daher grob verkehrswidrig, so dass auch eine Mithaftung des Pkw-Fahrers aus der Betriebsgefahr nicht in Betracht kommt.

Hinweis: Kommt es zu einem Verkehrsunfall zwischen Pkw und Fußgänger, hängt die Haftungsverteilung davon ab, inwieweit einem der Beteiligten ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Ist auf Seiten des Fußgängers von einem groben Verschulden auszugehen, weil er beispielsweise alkoholisiert oder aus Unachtsamkeit auf die Fahrbahn tritt, trifft ihn in der Regel das alleinige Verschulden.

Quelle: OLG Dresden, Urt. v. 09.05.2017 – 4 U 1596/16

  Verkehrsrecht

Über Warenpalette gestolpert: Ist ein Geschäft vor der offiziellen Öffnung begehbar, gelten die allgemeinen Sicherungspflichten

Verkehrssicherungspflichten gibt es für Ladenbetreiber viele. Die beginnen aber nicht erst mit den offiziellen Öffnungszeiten.

Eine Kundin betrat eine Bäckerei bereits vor der offiziellen Ladenöffnungszeit. Leider stolperte sie dabei über eine Palette, die auf dem Fußboden lag, und verletzte sich schwer. Schließlich klagte sie unter anderem ein Schmerzensgeld ein. Das Oberlandesgericht hat eine Verkehrssicherungspflicht der Ladeninhaberin bejaht. Die Pflicht, den Boden frei von Stolperfallen zu halten, bestand auch schon vor der Ladenöffnungszeit, sofern Kunden bereits den Laden betreten und Geschäfte abschließen können. Allerdings gab das Gericht der Kundin einen Mitverschuldensanteil von 40 %. Denn wer vor den angegebenen Öffnungszeiten ein Ladenlokal betritt, muss damit rechnen, dass Waren angeliefert und eingeräumt werden. Außerdem war die Palette gut zu erkennen gewesen.

Hinweis: Betritt ein Kunde bereits vor der offiziellen Ladenöffnungszeit ein Geschäft und kauft ein, muss der Geschäftsinhaber zu dem Zeitpunkt also bereits seine Verkehrssicherungspflichten beachtet haben.

Quelle: OLG Nürnberg, Urt. v. 21.12.2016 – 4 U 1265/16
Thema: Sonstiges

Verkehrssicherungspflicht auf Betriebsgelände: Für das sichere Überqueren von alten Schienenanlagen sind Radler selbst verantwortlich

Verkehrssicherungspflichten gibt es viele. Doch sie haben auch ihre Grenzen.

Eine Frau befuhr mit ihrem Fahrrad das denkmalgeschützte Gelände der ehemaligen Zeche Zollverein. Auf einem der Fuß- und Radwege verliefen auch alte Bahnschienen. Beim Überqueren dieses Wegs geriet die Frau mit dem Vorderreifen ihres Rades in eine Spalte neben einer der Schienen und stürzte. Sie fiel dabei auf den Kopf und zog sich ein schweres Schädelhirntrauma zu. Dafür verlangte sie 15.000 EUR Schmerzensgeld sowie Schadensersatz. Das Geld bekam sie aber nicht: Das Gericht urteilte nämlich, dass ein Radfahrer beim Überqueren solcher Schienen auf einem ehemaligen Betriebsgelände für einen Unfall selbst verantwortlich ist – er muss sein Fahrverhalten entsprechend anpassen. Eine schadensersatzpflichtige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht lag daher hier nicht vor.

Hinweis: Wenn Schienen auf der Fahrbahn oder einem Radweg eingelassen sind, sollten Radfahrer besonders vorsichtig fahren.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 09.06.2016 – 6 U 35/16
Thema: Sonstiges

Tod der Tochter: Der Bau einer Gedenkstätte ist keine ersatzfähige therapeutische Maßnahme

Auch wenn die an einer psychischen Krankheit leidende Mutter nach Tötung ihrer Tochter eine Kapelle zur Bewältigung ihrer Trauerarbeit errichten lässt, sind die Kosten dafür nicht zu ersetzen.

Bei einem Verkehrsunfall verstarb eine junge Frau. Ihre Mutter verlangte von der eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung die Kostenerstattung für eine Kapelle samt Inventar von fast 22.000 EUR. Die Mutter begründete ihre Forderung damit, dass der Bau der Kapelle aus therapeutischen Gründen notwendig gewesen sei, da sie nach dem Tod ihrer Tochter unter Depressionen und Schlafstörungen litt.

Das Oberlandesgericht Wien sprach der Mutter zwar ein Schmerzensgeld zu, nicht aber die Erstattung der Kosten für den Bau der Kapelle. Grundsätzlich sind einem Geschädigten alle Aufwendungen zu ersetzen, die geeignet sind, die gesundheitlichen Folgen eines Unfalls zu beseitigen oder zu verbessern. Zu diesen zu ersetzenden Heilungskosten gehört jeder Aufwand, der zweckmäßig zur gänzlichen oder teilweisen Heilung bzw. zur Abwehr der Verschlechterung des gegenwärtigen Zustands erforderlich ist. Nach den vom Gericht getroffenen Feststellungen bot der Bau der Kapelle der Mutter zwar eine gewisse Hilfestellung bei der Bewältigung ihrer Trauerarbeit, führte jedoch nicht zu einer tatsächlichen Besserung des durch den Schockschaden hervorgerufenen psychischen Gesundheitszustands. Somit fehlte es an der Zweckmäßigkeit der getätigten Aufwendung, da sowohl in medizinischer als auch in therapeutischer Hinsicht keine Notwendigkeit zur Errichtung einer Kapelle bestand.

Hinweis: Es ist davon auszugehen, dass auch ein deutsches Gericht nicht anders entschieden hätte. Im Fall des Todes eines Angehörigen im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall sind von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung auch die Beerdigungskosten zu zahlen; hierzu gehören auch die Kosten eines Grabsteins, eines Trauermahls, die Bewirtung und Unterbringung von Trauergästen, Kränze und Grabblumen und die Todesanzeige.

Quelle: OLG Wien, Urt. v. 21.05.2015 – 15 R 67/15 
Thema: Verkehrsrecht

Beweislastumkehr: Schmerzensgeld nach rechtswidriger Operation

Setzt sich ein Arzt über den Willen seines Patienten hinweg, muss er damit rechnen, vom Gericht verurteilt zu werden.

Im Jahr nach ihrer Geburt wurde bei einem kleinen Mädchen ein gutartiger Hirntumor teilweise entfernt. Ein Jahr später stellte sich heraus, dass der Resttumor gewachsen war. Zwei Universitätskliniken hielten eine weitreichendere Entfernung des Tumors aber für nicht richtig und rieten, nur eine sogenannte Drainierung der Zyste beim Voroperateur durchführen zu lassen. Dieser hielt sich allerdings nicht daran und entfernte den Tumor vollständig. Das Kind litt dann noch etwa zehn Jahre bis zu seinem Tod an schweren Nerven- und Gefäßverletzungen mit fast vollständiger Lähmung, Fehlstellungen der Hand- und Fußgelenke und Schluckstörungen, außerdem war es blind und konnte nicht sprechen. Die Eltern des Kindes verlangten nun Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 EUR sowie Schadensersatz.

Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte nun im Gegensatz zur vorigen Instanz, dass eine rechtswidrig ausgeführte Operation, die zu einer Gesundheitsschädigung des Patienten führt, zu einer Beweislastumkehr führt. Das bedeutet, es ist somit Sache des Arztes zu beweisen, dass der Patient ohne den rechtswidrig ausgeführten Eingriff dieselben Beschwerden gehabt hätte, statt Aufgabe eines Klägers, das fachliche Versagen eines Mediziners nachzuweisen. Mit diesem Urteil hat der BGH diesen Fall zur Verhandlung über die Höhe der Schmerzensgeld- und Schadensersatzleistungen an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Hinweis: Im Fall eines groben Behandlungsfehlers kommt es stets zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des behandelnden Arztes.

Quelle: BGH, Urt. v. 22.03.2016 – VI ZR 467/14
Thema: Sonstiges

Lebensrisiko statt Gefahrenlage: Der Sturz auf einer versandeten Garagenzufahrt ist nicht dem Vermieter anzulasten

Eine Frau hatte in einem Mehrfamilienhaus eine Wohnung gemietet. Zu der Wohnung gehörte auch eine Garage, die über eine etwa 30 m lange gepflasterte Zufahrt von der Straße aus erreichbar war. Laut Hausordnung erfolgte die Reinigung dieser Zufahrt wechselseitig durch alle Mieter nach Maßgabe einer vom Vermieter aufzustellenden Reinigungsordnung. Sodann geriet die Mieterin im Hofbereich unmittelbar vor ihrer Garage mit einem Fuß in eine versandete Vertiefung zwischen den Pflastersteinen der Zufahrt. Sie stürzte und zog sich Schürfwunden und Prellungen an beiden Händen zu. Sie erklärte, dass sich durch die Prellungen beide Daumensattelgelenke entzündet hätten, wodurch sie in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei.

Sie meinte nun, die Vermieterin habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Zustand der Garageneinfahrt sei mangelhaft gewesen und ein Reinigungsplan nicht aufgestellt worden. Deshalb verlangte sie Schmerzensgeld – allerdings ohne Erfolg. Zwar ist grundsätzlich der Eigentümer und Vermieter eines Grundstücks verkehrssicherungspflichtig. Dies bedeutet aber nicht, dass alle denkbaren, auch entfernteren Möglichkeiten eines Schadenseintritts bedacht werden müssen. Vorliegend lag keine Gefahrenlage vor; es hatte sich vielmehr ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht.

Hinweis: Eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, kann es nicht geben und ist praktisch nicht möglich.

Quelle: AG Coesfeld, Urt. v. 13.01.2016 – 11 C 169/15
Thema: Mietrecht

Eigensorgfalt für Fußgänger: Erkennbare Unebenheiten und Höhendifferenzen auf Gehwegen sind hinzunehmen

Bei der Frage, in welchem Umfang Fußgänger Unebenheiten und Niveauunterschiede auf Straßen, Plätzen und Gehwegen hinnehmen müssen, ist immer der individuelle Einzelfall entscheidend.

Ein Fußgänger ging nach seinen Angaben in Begleitung zweier Zeugen innerorts bei völliger Dunkelheit auf einem Gehweg. Der Gruppe von Fußgängern kam ein Radfahrer entgegen. Um ihn passieren zu lassen, ging der Fußgänger zur Seite an den Bordstein und knickte aufgrund eines fehlenden Bordsteinstücks mit dem Fuß um. Von der verkehrssicherungspflichtigen Gemeinde verlangte er daher Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken konnte allerdings keinen Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten feststellen und hat die Ansprüche des Fußgängers daher zurückgewiesen. Das Gericht ging davon aus, dass der Fußgänger die konkrete Schadensstelle zu der behaupteten Uhr- und Jahreszeit mit Blick auf Ausmaß und Lage im Bereich des Bordsteins bei der gebotenen Aufmerksamkeit ohne weiteres hätte erkennen können. Die Benutzung der Bordsteinkante ist mit Blick auf die zum Fahrbahnrand hin gegebene Höhendifferenz per se nicht völlig gefahrenfrei, so dass ein umso höheres Maß an Eigensorgfalt geboten ist, um Übertritte oder ein Abrutschen von der Bordsteinkante zu vermeiden.

Hinweis: Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht hängt maßgeblich von der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrswegs und dessen Bedeutung ab. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Benutzer hinreichend sicheren Straßenzustands, wobei jedoch eine absolute Gefahrlosigkeit nicht gefordert werden kann. Eine solche ist auch unter Einsatz zumutbarer Mittel nicht zu erreichen. Vielmehr sind die öffentlichen Verkehrswege grundsätzlich in dem Zustand hinzunehmen, in dem sie sich dem Benutzer erkennbar darbieten, wobei sich der Benutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen muss.

Quelle: OLG Saarbrücken, Urt. v. 26.11.2015 – 4 U 110/14 
Thema: Verkehrsrecht