Wer schon mal auf diesen nervigen Dingern gestanden und damit „Speed“ gegeben hat, muss zugeben: E-Scooter können nicht nur doof rumliegen oder -stehen, sondern durchaus Spaß machen. Doch in Verbindung mit dem öffentlichen Straßenverkehr ist Spaß immer arg nüchtern zu betrachten – vor allem, wenn man motorisiert unterwegs ist. Daher sei allen, denen zumindest ihre Fahrerlaubnis wichtig ist, geraten: „Don’t smoke and drive“ – und zwar auch nicht auf erlaubnisfreien Fahrzeugen, wie im Folgenden das Verwaltungsgericht Berlin (VG) in seinem Urteil beweist.
Grundsätzlich müssen sich auch Kinder im Straßenverkehr ihrer Reife entsprechend so verhalten, dass sie Gefahrenquellen erkennen und Gefährdungen entsprechend vermeiden können. Im folgenden Verkehrsunfall, den das Oberlandesgericht Celle (OLG) zu bewerten hatte, kam es aber wie so oft auf das komplexe Gesamtbild an. Und das sprach hier letztendlich gegen den erwachsenen Beteiligten.
Im Dezember 2012 überquerte die damals elfjährige Schülerin gegen 8 Uhr als letztes von vier Kindern im Dunkeln eine Straße in der Nähe ihrer Schule. Eines der vorausgehenden Kinder trug eine gelb reflektierende Jacke. Dieser Gruppe näherte sich ein Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von mindestens 55 km/h statt der erlaubten 50 km/h. Kurz bevor die Schülerin den Bürgersteig erreichte, erfasste das Fahrzeug sie, wodurch sie erheblich verletzt wurde. Sie verlangte von dem Fahrer und der Haftpflichtversicherung des Unfallfahrzeugs nun unter anderem Schmerzensgeld.
Das OLG hat der Schülerin in vollem Umfang Recht gegeben und entgegen der Vorinstanz ein Mitverschulden nicht angenommen. Der Fahrer des Kraftfahrzeugs hat den Unfall überwiegend verschuldet, da er sein Fahrverhalten sofort hätte anpassen müssen, als er die Kinder im Straßenbereich wahrnahm. Darüber hinaus hätte er den Unfall auch verhindern können, wenn er die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte. Zwar hatte sich das Kind ebenfalls falsch verhalten, weil es beim Überqueren der Straße den vorfahrtsberechtigten Fahrzeugverkehr nicht ausreichend beachtet hatte. Nach der Überzeugung des OLG traf das Mädchen jedoch insoweit kein Verschulden. Denn hier bezog das Gericht auch das Alter und die Gesamtsituation ein: Das Kind war in nachvollziehbarer Weise überfordert, da es sich bereits auf der Straße befand, als es das Fahrzeug wahrnahm, sowohl Entfernung als auch Geschwindigkeit des Fahrzeugs in der Dunkelheit falsch einschätzte und reflexhaft die falsche Entscheidung traf, der Gruppe hinterherzulaufen. Der Fahrer des Kraftfahrzeugs habe sich auch nicht darauf verlassen dürfen, dass sich das Kind richtig verhalten werde.
Hinweis: Nach § 3 Abs. 2a der Straßenverkehrsordnung muss sich ein Fahrzeugführer so verhalten, dass eine Gefährdung – insbesondere von Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen – ausgeschlossen ist. Zudem ist das (Mit-)Verschulden von Kindern und Jugendlichen in der Regel geringer zu bewerten als das entsprechende (Mit-)Verschulden eines Pkw-Fahrers.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 19.05.2021 – 14 U 129/20
Jeder, der sich schon einmal unschuldig in einen Rechtsstreit verwickelt sah, wünschte sich, über eindeutig entlastendes Beweismaterial zu verfügen. Die moderne Technik mag hier Anlass genug geben, sich solches Material für den Fall der Fälle zu sichern. Und so musste der Bundesgerichtshof (BGH) nun in Sachen Dashcamnutzung im Straßenverkehr eine Entscheidung fällen. Und die hat es in sich.
Zwei Fahrzeuge waren innerorts beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren seitlich kollidiert. Die Beteiligten stritten folglich darüber, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hatte. Die Fahrt vor der Kollision und die Kollision wurden von einer Dashcam aufgezeichnet, die im Fahrzeug des Klägers angebracht war, der vom Beklagten nun Schadensersatz verlangte.
Nach Auffassung des BGH ist die vorgelegte Videoaufzeichnung nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen zwar unzulässig, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt ist. Gleichsam ist die Videoaufzeichnung als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess jedoch durchaus verwertbar. Verwirrend? Nicht so ganz. Denn der BGH differenzierte hier wie folgt: Über die Frage der Verwertbarkeit ist aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden. Die Abwägung erfolgt zum einen zwischen dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege. Stellt man all das dem zum anderen geltenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegebenenfalls als Recht am eigenen Bild gegenüber, führt das zu einem Überwiegen der Interessen des Geschädigten. Immer noch nicht klar? Dann nochmal so:
Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den sich der Beklagte freiwillig begeben hatte. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind. Das hat zur Folge, dass Videoaufzeichnungen im Straßenverkehr zwar gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen, in einem Zivilprozess aber verwertet werden können.
Hinweis: Durch das Urteil des BGH ist nunmehr generell entschieden, dass Videoaufzeichnungen in einem Zivilverfahren eingeführt und verwertet werden dürfen. Unfallprozesse können jetzt schneller entschieden werden, da teilweise auf die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens verzichtet werden kann.
Gegen denjenigen, der während der Fahrt im Straßenverkehr auf dem betriebsbereiten Mobiltelefon eine Blitzer-App aufgerufen hat, kann ein Bußgeld verhängt werden.
Gegen einen Fahrzeugführer wurde ein Bußgeld von 75 EUR verhängt, weil er während der Fahrt ein Smartphone mit einer sogenannten Blitzer-App benutzt hatte. Nachdem der Fahrzeugführer auf einem Parkplatz nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung von Polizeibeamten angehalten wurde, hatten diese auf dem Display seines Smartphones die Blitzer-App festgestellt.
Hiermit hat der Betroffene nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle (OLG) gegen das Verbot verstoßen, ein technisches Gerät zu betreiben bzw. betriebsbereit mitzuführen, das Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzeigt. Den Einwand des Betroffenen, dass der Betrieb einer sogenannten Blitzer-App auf einem Smartphone keinen Verstoß gegen bußgeldrechtliche Vorschriften darstelle, weil ein Smartphone nicht dazu bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören, hat das Gericht als unerheblich eingestuft. Der Betroffene hatte während der Fahrt sein eingeschaltetes Smartphone am Armaturenbrett befestigt, auf dem die Blitzer-App betriebsbereit war. Das Smartphone stellt somit ein technisches Gerät dar, das während einer konkreten Fahrt (auch) dazu bestimmt war, Geschwindigkeitsmessungen und damit Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen. Zudem sei diese Konstellation vergleichbar mit dem betriebsbereiten Mitführen eines Navigationssystems mit Ankündigungsfunktion. Auch bei Benutzung dieser Geräte wird gegen das entsprechende Verbot verstoßen.
Hinweis: Bei der Entscheidung des OLG handelt es sich um eine erste obergerichtliche Entscheidung zu der Frage, ob Mobiltelefone, auf denen Blitzer-Apps installiert sind, ein technisches Gerät darstellen, das geeignet ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen. Ob andere Oberlandesgerichte der Entscheidung folgen, bleibt abzuwarten.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 03.11.2015 – 2 Ss (OWi) 313/15 Thema: Verkehrsrecht