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Schlagwort: Straßenverkehrsgesetz

Gearbeitet statt gefahren: Betriebsgefahr nach StVG entfällt, wenn ein Traktor vornehmlich als Arbeitsmaschine im Einsatz ist

Weil ein Traktor einfach fast alles zu können scheint, gehört er zu den Fahrzeugen, hinter dessen Steuer sich nach wie vor viele Erwachsene träumen. Rein sachlich gesehen, kann der Traktor aber zuerst einmal vor allem zwei Dinge: eine Arbeitsmaschine oder aber ein Kraftfahrzeug sein. Warum diese kleinlich scheinende Unterscheidung wichtig sein kann, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG).

 

Der hier in Anspruch genommene Landwirt bat den in der Nachbarschaft wohnenden Geschädigten, mehrere Tannen auf seinem Grundstück zu fällen. Dabei legte der Landwirt eine Kette um einen Baum und befestigte ihn damit an einer Stange seines Traktors, um den gefällten Baum im Anschluss daran abzutransportieren. Der Landwirt wies den Geschädigten an, den Baum möglichst weit unten am Boden abzusägen. Er tat dies sodann, doch schließlich landete der Baum unmittelbar neben dem Führerhaus des Traktors, so dass der Landwirt nicht aussteigen konnte. Versuche des Landwirts, den Baum mit dem Traktor wegzuziehen oder wegzudrücken, blieben erfolglos. Er bat den Geschädigten, die Tannespitze abzusägen, um den Stamm aus der Verkeilung zu lösen. Als der Geschädigte zu sägen begann, brach der trockene Stamm, dessen Spannung durch die vorangegangenen Rangierversuche des Landwirts erhöht war, und stieß den Mann zu Boden, wodurch er sich erheblich verletzte.

Das OLG hat Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche jedoch zurückgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch aus dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) scheiterte hier schlicht und ergreifend daran, dass beim konkreten Einsatz des Traktors in Gestalt des Wegziehens bzw. Wegdrückens des Baums die Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund gestanden hat. Somit war der Schadensablauf auch nicht durch den Betrieb des Traktors als Kraftfahrzeug geprägt. Zu berücksichtigen war zudem, dass die Straße während des Unfallgeschehens für den allgemeinen Verkehr abgesperrt war und ein – ursprünglich vorgesehener – Abtransport des Baums mit dem Traktor aufgrund der Stammlänge nicht möglich gewesen wäre.

Hinweis: Zentrale Frage in diesem Rechtsstreit war, ob die Verletzung „beim Betrieb“ des Traktors entstanden war. Hier ergab die Gesamtbetrachtung, dass bei dem konkreten Einsatz des Traktors in Gestalt des Wegziehens bzw. Wegdrückens des Baums die Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand und der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Traktors als Kraftfahrzeug geprägt wurde.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.2021 – 9 W 14/21

zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2021)

Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung: Bei einem Unfall mit einem E-Scooter muss dessen Verschulden nachgewiesen werden

Mit Zulassung der E-Scooter war klar: Da kommen neben allen hitzigen Diskussionen auch so einige Verfahren auf die deutschen Gerichte zu. Das folgende Urteil des Landgerichts Münster (LG) zeigt, dass es hier noch so einigen Klärungsbedarf zur Haftungsfrage geben wird. Doch lesen Sie selbst.

Innerorts kam es zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Pkw und einem E-Scooter. Die Fahrerin des Pkw fuhr zuvor mit erlaubten 50 km/h auf eine ampelgeregelte Fußgängerquerung zu. Dort kam es zu einem Unfall mit einem E-Scooter Fahrer, der behauptete, die Autofahrerin habe das für sie maßgebliche Rotlichtzeichen missachtet. Diese behauptet ihrerseits, der E-Scooter-Fahrer habe bei für ihn bestehendem Rotlicht die Fahrbahn überquert.

Das LG hat der Pkw-Fahrerin keinen Schadensersatz zugesprochen und führte aus, dass eine Haftung des E-Scooter-Fahrers laut Straßenverkehrsgesetz ausgeschlossen ist. Dies sei dann der Fall, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, dass auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann. Nach der Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung sind Fahrzeuge im Sinne dieser Verordnung Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h. Genau darunter fallen eben auch E-Scooter. Ein Anspruch aus verschuldensabhängiger Haftung besteht deshalb nicht, weil die beweisbelastete Pkw-Fahrerin nicht beweisen konnte, dass der E-Scooter-Fahrer bei für ihn bestehendem Rotlicht die Fahrbahn überquert hatte. Insofern blieb auch nach Zeugenanhörungen Aussage gegen Aussage bestehen.

Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Hierbei handelt es sich – soweit ersichtlich – um eine erste veröffentlichte Entscheidung zu der Frage der Haftung von E-Scootern. Zutreffend weist das Gericht darauf hin, dass E-Scooter der Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung unterfallen. Insofern ist also eine Haftung wie bei Fahrradfahrern auch nur dann gegeben, wenn dem E-Scooter-Fahrer ein Verschulden eindeutig nachgewiesen wird. Und diese Beweislast trägt die Person, die Schadensersatzansprüche geltend machen will.

Quelle: LG Münster, Urt. v. 09.03.2020 – 8 O 272/19

Thema: Verkehrsrecht