Skip to main content

Schlagwort: Testament

Vorsicht beim Negativtestament: Eine Enterbung ohne Erbeinsetzung birgt die Gefahr, dass das Erbe dem Fiskus zufällt

Natürlich kann ein Erblasser durch ein Testament ausdrücklich Anordnung darüber treffen, wer Erbe werden soll. Möglich ist dabei auch, dass der Erblasser einen Verwandten, den Ehegatten oder den Lebenspartner von der gesetzlichen Erbfolge ausschließt, ohne einen Erben einzusetzen. Wer genau von dieser Enterbung betroffen ist, ist im Einzelfall durch eine Auslegung zu ermitteln – so wie im Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG).

In diesem Fall war die ledige Erblasserin kinderlos verstorben. Die Eltern waren bereits vorverstorben. Mit Ausnahme des Bruders gab es keine weiteren Geschwister der Erblasserin. Diese hinterließ ein im Februar 2007 errichtetes handschriftliches Testament, in dem es unter anderem hieß: „Ausgeschlossen sind alle Verwandten und angeheiratete Verwandten!“ Ferner führte sie darin aus, dass die Familie mitleidlos gegenüber „unserem Vertreibungsschicksal“ war. „Wir wurden von den Verwandten lächerlich gemacht! Das tut sehr weh!“ Auf eine ausdrückliche Erbeinsetzung verzichtete sie in dem Testament jedoch. Der Bruder der Erblasserin beantragte daher einen Erbschein, wohingegen der Fiskus der Ansicht war, an die Stelle eines Erben getreten zu sein.

Das OLG gelangte nach einer Auslegung des Testaments jedoch zur Einschätzung, dass der Bruder der Erblasserin von dem Ausschluss nicht betroffen sei. Die Formulierungen in dem Testament mit den „Verwandten“ auf der einen Seite und der Personengruppe „wir“ auf der anderen Seite spreche dafür, dass die Erblasserin den Bruder eben nicht zu den von dem Ausschluss betroffenen Verwandten zählte. Das Nachlassgericht hatte demnach auch den beantragten Erbschein zugunsten des Bruders zu Recht erteilt.

Hinweis: Eine Enterbung ohne eine Erbeinsetzung birgt das Risiko, dass ein potentieller Erbe nur durch eine Auslegung zu ermitteln ist. Wird ein Erbe innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist nicht ermittelt, hat das Nachlassgericht festzustellen, dass der Fiskus Erbe nach dem Verstorbenen geworden ist. Ob dies von dem Erblasser tatsächlich gewollt ist, muss gut überlegt sein.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.11.2020 – 8 W 359/20

Thema: Erbrecht

Unbegründeter Pflichtteilsentzug: Fehlt es an Ausschlussdetails, behält der Pflichtteilsberechtigte sein Recht auf Grundbucheinsicht

Die Einsichtnahme in das Grundbuch kann einem Erbberechtigten wichtige Informationen zum Umfang seiner Ansprüche liefern. Für dieses Recht bedarf es im Regelfall eines berechtigten Interesses. Ob dieses für einen Pflichtteilsberechtigten auch dann gegeben ist, wenn diesem aufgrund einer unklaren Formulierung in einem Testament möglicherweise sein Pflichtteil entzogen wurde, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) klären.

Die Erblasserin hatte in ihrem notariellen Testament verfügt, dass ihr Sohn von der Erbfolge ausgeschlossen und ihm darüber hinaus sein Pflichtteil entzogen werden soll, da er die Erblasserin mehrfach tätlich angegriffen habe und er gegen ihren Willen einen „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandel“ führe. Entgegen der ausdrücklichen Hinweise des Notars hat die Erblasserin keine weiteren Angaben zu den tatsächlichen Hintergründen gemacht. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Sohn Einsicht in das Grundbuch mit der Begründung, dass er wegen seiner Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche ein wirtschaftliches Interesse daran habe, in Erfahrung zu bringen, ob die Erblasserin Eigentümerin von Grundstücken im Bezirk des Amtsgerichts (AG) gewesen sei. Das AG hat diesen Antrag zurückgewiesen, da nach dessen Ansicht der Sohn sowohl von der Erbfolge als auch von Pflichtteilsansprüchen ausgeschlossen sei.

Dieser Ansicht hat sich das OLG jedoch nicht angeschlossen und dem Antragsteller das Recht auf Einsichtnahme gewährt. Unzweifelhaft hat ein Pflichtteilsberechtigter anerkennungswürdige wirtschaftliche Interessen, die eine Einsichtnahme in das Grundbuch grundsätzlich rechtfertigen. Die Besonderheit dieses Falls lag zweifellos darin, dass die Erblasserin den Sohn von Pflichtteilsansprüchen ausschließen wollte. Doch hierfür ist es erforderlich, dass neben der Entziehungserklärung auch ein zutreffender Kernsachverhalt geschildert wird, was die Erblasserin trotz Hinweises des Notars ausdrücklich nicht getan hatte. Insofern hatte das OLG erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit einer solchen Pflichtteilsentziehung.

Hinweis: Aus Sicht der Erblasserin wäre es notwendig gewesen, möglichst konkrete Zeitangaben darüber zu machen, wann die Übergriffe durch den Sohn stattgefunden haben, ebenso nähere Angaben darüber, wie oft und in welchem konkreten Ausmaß diese „tätlichen Angriffe“ erfolgten.

Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.08.2020 – 3 W 121/19

Thema: Erbrecht

Keine Doppelberücksichtigung: Wird bei Nachlassüberschuldung kein Pflichtteil geltend gemacht, bleibt Ersatznacherbschaft erhalten

Im Zusammenhang mit der Ausschlagung einer Erbschaft stellt sich immer wieder die Frage, ob damit auch die Abkömmlinge der Ausschlagenden von der Erbschaft ausgeschlossen sind. Besonders schwierig wird dies, wenn eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet wurde, so wie im folgenden Fall des Landgerichts Bremen (LG).


Ein Mann schloss gemeinsam mit seiner dritten Ehefrau ein gemeinsames Testament. Darin setzte er sie zur Vorerbin und seine Kinder aus den ersten zwei Ehen als Nacherben sowie deren Kinder – also seine Enkel – als Ersatzerben ein. Nach seinem Tod schlugen seine Kinder die Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses aus. Die Ehefrau schenkte dann ein zum Nachlass gehörendes Grundstück dem Sohn einer Nachbarin. Als auch die Ehefrau verstorben war, verlangten die Enkelkinder des Ehemannes die Rückübertragung des Grundstücks.

Das LG gab ihnen Recht. Es führte aus, dass in solchen Konstellationen im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass auch die Ersatznacherben des Ausschlagenden von der Erbfolge ausgeschlossen seien, sobald ein als Nacherbe berufener Abkömmling des Erblassers die Erbschaft ausschlägt, um den Pflichtteil zu verlangen. Diese Annahme beruht auf der allgemeinen Lebenserfahrung, da nicht davon auszugehen ist, dass der Stamm jenes Abkömmlings doppelt berücksichtigt werden soll, der die Erbschaft ausschlägt und den Pflichtteil verlangt. Doch in diesem Fall hatten die Kinder ihren Pflichtteil wegen der Überschuldung des Nachlasses gar nicht geltend machen können, so dass keine Doppelberücksichtigung vorlag. Damit waren die Enkel weiterhin Ersatznacherben – die Ehefrau hätte das Grundstück nicht zu deren Nachteil verschenken dürfen.

Hinweis: In der Rechtsprechung ist umstritten, in welchen Fällen der Erblasser zur Verhinderung einer Doppelberücksichtigung den gesamten Stamm ausschließen will und welchen nicht. Daher sollte, soweit dies gewünscht wird, in einem Testament klargestellt werden, dass ein den Pflichtteil verlangender Bedachter mit seinem ganzen Stamm von Zuwendungen jeder Art ausgeschlossen ist.

Quelle: LG Bremen, Urt. v. 19.08.2019 – 2 O 179/19

Thema: Erbrecht

Gesetzliche Erbfolge: Ohne festgestellte oder anerkannte Vaterschaft für außerehelich Geborene gehen diese leer aus

Liegt kein Testament vor, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Dass es dabei immer wieder Streit darüber gibt, wer erbberechtigt ist – insbesondere wenn Kinder geboren wurden, ohne dass die Eltern verheiratet waren -, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Saarbrücken (OLG).

Eine Frau brachte in die Ehe einen vorher geborenen Sohn mit ein, der den Familiennamen des Ehemannes annahm und in der gemeinsamen Familie aufwuchs. Nach dem Tod ihres Ehemannes beantragte seine Witwe aufgrund der gesetzlichen Erbfolge einen Erbschein für sich, ihren Sohn und die Tochter, die aus der Ehe mit dem Verstorbenen stammte. Daraufhin wurde ein Erbschein ausgestellt, der den Sohn auch als Erben auswies. Jahre später wehrte sich jedoch die Tochter dagegen und trug vor, dass die Mutter ihr nun gesagt habe, dass ihr Bruder nicht der Sohn ihres Vaters sei, sondern lediglich nach der Eheschließung auf dessen Namen einbenannt worden sei. Sie beantragte bei Gericht daher die Einziehung des Erbscheins.

Das OLG gab ihr Recht. Es stellte fest, dass in diesem Fall die formelle Vaterschaft des Erblassers nicht vorlag, die Voraussetzung für die gesetzliche Erbfolge ist. Weder war der Erblasser zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet noch hatte er die Vaterschaft anerkannt oder seine Vaterschaft gerichtlich feststellen lassen. Eine Prüfung der Vaterschaft im Erbscheinverfahren ist nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich nicht möglich. Damit war der Erbschein unrichtig und musste eingezogen werden.

Hinweis: Für die gesetzliche Erbfolge entscheidend ist die Abstammung im Rechtssinne, die von der Abstammung im biologischen Sinne abweichen kann. Im rechtlichen Sinne ist jedoch eine Person nur als Kind eines Mannes anzusehen, wenn eine der oben erwähnten drei Möglichkeiten vorliegt (Ehe der Eltern bei Geburt, Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft). Die Feststellung der Vaterschaft kann allerdings auch nachträglich erfolgen – notfalls sogar unter Exhumierung des Erblasserleichnams. Unabhängig davon kann ein Erblasser aber in einem Testament jemand anderen als seinen Sohn zum Erben einsetzen und damit die gesetzliche Erbfolge ausschließen.

Quelle: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 17.12.2018 – 5 W 91/18

Thema: Erbrecht

Ausschlagung der Erbschaft: Keine Fristverlängerung nach nur eintägigem Kurztrip ins Ausland

Ist ein Nachlass überschuldet, kann es von Vorteil sein, das Erbe auszuschlagen. Dabei ist die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen unbedingt einzuhalten. Diese Frist verlängert sich auf sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe mit Beginn der Frist im Ausland aufhält. Wie weit so ein Auslandsaufenthalt für eine Fristverlängerung positiv zu interpretieren ist, musste der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Fall entscheiden.

Eine Verstorbene hatte ihre beiden Söhne in einem Testament zu Vorerben eingesetzt. Diese hatten das Erbe jedoch ausgeschlagen, so dass die Kinder des einen Sohns zu Nacherben wurden. Während das jüngere Kind noch minderjährig war, schlug das ältere das Erbe ebenfalls aus. Am Tag, an dem die Mitteilung über dessen Ausschlagung dem Vater beider Kinder per Post zuging, befand sich dieser auf einem Tagesausflug in Dänemark. Seine Frau war jedoch zu Hause. Als das Ehepaar erst einige Monate später das Erbe auch für sein minderjähriges Kind ausschlug, meinten sie, dass die Ausschlagung noch rechtzeitig sei – die Frist hätte sich durch den Aufenthalt in Dänemark schließlich auf sechs Monate verlängert. Der BGH zeigte sich aber weniger flexibel.

Das Gericht führte aus, dass kein Auslandsaufenthalt im Sinne des Gesetzes vorliegt, wenn sich einer der beiden gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Erben zu Beginn der Frist lediglich für einige Stunden zu einem Tagesausflug im Ausland aufhält und planmäßig noch am selben Tag an seinen heimischen Wohnort zurückkehrt. Die Fristverlängerung soll den besonderen Schwierigkeiten Rechnung tragen, die bei Klärung der Frage entstehen können, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. Zwar reicht es grundsätzlich aus, wenn sich lediglich einer der beiden gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen im Ausland befindet, da das die Kommunikation erschwert. Bei einem so kurzen Auslandsaufenthalt ist jedoch nach Auffassung des BGH nicht ersichtlich, welche besonderen Kommunikationsschwierigkeiten es hier zwischen den Beteiligten gegeben haben soll. Nach der Rückkehr des Vaters war noch hinreichend Zeit und Gelegenheit für eine gemeinschaftliche Abstimmung.

Hinweis: Die Ausschlagungsfrist ist relativ kurz. Daher sollte man unbedingt darauf achten, mit der Ausschlagung nicht zu lange zu warten. Eine Verlängerung der Frist kommt nur bei Auslandsaufenthalten in Betracht, die eine entsprechend hinreichende Kommunikation behindern.

Quelle: BGH, Beschl. v. 16.01.2019 – IV ZB 20/18

Thema: Erbrecht

Handschriftliche Testamentsformulierungen: Die Erwähnung der Vermögensverwaltung legt nahe, dass es sich um eine Vor- und Nacherbschaft handelt

Handschriftliche Testamente enthalten häufig Formulierungen, die im rechtlichen Sinne nicht ganz eindeutig sind und daher ausgelegt werden müssen. Insbesondere die Anordnung von Vor- und Nacherbschaften führt immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, wie auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts München (OLG).


Ein Mann hinterließ ein handschriftliches Testament, in dem er seine Lebensgefährtin zur Erbin einsetzte. Darüber hinaus verfügte er, dass diese das Vermögen für seine Kinder „verwalten“ solle. Als die Lebensgefährtin einen Erbschein als Alleinerbin beantragte, wandten sich die beiden Kinder aus erster Ehe dagegen und trugen vor, dass die Lebensgefährtin nur Vorerbin, die drei Kinder des Erblassers (zwei aus erster Ehe, eines mit der Lebensgefährtin) dessen Nacherben seien.

Das OLG gab den Kindern Recht. Es legte das Testament dahingehend aus, dass in der Formulierung „für meine Kinder verwalten“ zum Ausdruck kommt, dass letztendlich die Kinder in den Genuss seines in der Substanz ungeschmälerten Vermögens kommen sollen. Somit konnte die Lebensgefährtin nur Vorerbin sein.

Hinweis: Durch Vor- und Nacherbschaft können in zeitlich versetzter Reihenfolge mehrere Erben eingesetzt werden. Oft soll der Ehepartner das Vermögen bis zu dessen Tod nutzen und dann an die Kinder weitergeben. Aber auch andere zeitliche Umstände können hierbei vom Erblasser angeordnet werden – etwa die Beendigung einer Ausbildung oder eine Wiederheirat. Der Vorerbe unterliegt bestimmten Beschränkungen, damit das Vermögen erhalten wird. Verfügungen über Grundstücke und unentgeltliche Verfügungen durch den Vorerben sind zum Beispiel in der Regel unwirksam, soweit sie den Nacherben benachteiligen. Ein Nachteil bei dieser Konstruktion ist, dass der Erblasser zweimal beerbt wird und zweimal Erbschaftssteuer anfällt. Es sollte daher geprüft werden, ob es zum Vermögenserhalt nicht geeignetere Möglichkeiten gibt – etwa durch die Einräumung des Nießbrauch am Nachlass für den potentiellen Vorerben.

Quelle: OLG München, Beschl. v. 13.11.2018 – 32 Wx 182/17

Thema: Erbrecht

Vermögenserhalt oder -mehrung: Ein Kind kann für die jahrelange Pflege der Eltern Ersatz von seinen Geschwistern verlangen

Häufig werden Erblasser von Angehörigen teilweise über einen längeren Zeitraum gepflegt. Wenn der Erblasser dies jedoch nicht ausdrücklich in seiner letztwilligen Verfügung honoriert, stellt sich immer wieder die Frage, ob die Angehörigen für die Pflegeleistung einen Ausgleich aus dem Erbe verlangen können.

Ein Ehepaar hatte sich in einem gemeinsamen Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben. Einer der Söhne pflegte seine Eltern rund zehn Jahre lang und wollte dafür nach dem Tod der länger lebenden Mutter einen Ausgleich von seinen Geschwistern bzw. deren Kinder erhalten.

Das Gericht entschied, dass ihm dafür durchaus ein Ausgleich von 40.000 EUR zusteht. Laut der gesetzlichen Regelung kann ein Abkömmling, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt und dadurch in besonderem Maße dazu beigetragen hat, das Vermögen des Erblassers zu erhalten oder zu vermehren, bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung unter Abkömmlingen verlangen. Das Gericht stellte klar, dass die Pflegeleistung in zeitlicher Hinsicht deutlich über das hinausgehen muss, was von anderen Erben erbracht worden ist – also nicht lediglich das im Rahmen einer normalen Eltern-Kind-Beziehung Geleistete umfassen darf. Die Mehrung oder Erhaltung des Erblasservermögens kann vor allem darin liegen, dass sich der Erblasser Ausgaben für eine professionelle Pflege oder für eine Heimunterbringung erspart hat.

Hinweis: Erbringt einer der Erben mehr als nur obligatorische Leistungen, kann er einen Ausgleich von den Miterben verlangen. Die genaue Berechnung kann im Einzelfall allerdings schwierig sein. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine Gesamtschau zu erfolgen hat, bei der die Dauer und der Umfang der auszugleichenden Leistung zu berücksichtigen sind, insbesondere der Leistungszeitraum und der tägliche Aufwand. Daneben sind einerseits der (immaterielle) Wert der Pflege des Abkömmlings für den Erblasser, andererseits auch die Nachteile (etwa Einkommensverluste) sowie ggf. die Vorteile (etwa Wohnvorteile oder lebzeitige Schenkungen) für den pflegenden Abkömmling miteinzuberechnen. Schließlich müssen die Vermögensinteressen der übrigen Erben und der Pflichtteilsberechtigten sowie die Höhe des gesamten Nachlasses berücksichtigt werden; der Ausgleichungsbetrag darf nicht den Wert des gesamten Nachlasses erreichen. 
  
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 22.11.2016 – 3 U 25/16

Thema: Erbrecht

Zugewinnausgleich statt Erbe: Eine Ehe gilt erbrechtlich als geschieden, sobald der Verstorbene der Scheidung zugestimmt hatte

Stirbt ein Ehegatte, wird der andere allein oder gemeinsam mit anderen zum Erbe, sofern kein anderslautendes Testament vorliegt. Ist die Ehe zum Zeitpunkt des Todes geschieden, erlischt das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten. Was aber ist, wenn zum Zeitpunkt des Todes die Ehegatten getrennt leben und ein Scheidungsverfahren bei Gericht anhängig ist, die Scheidung aber noch nicht ausgesprochen wurde?

Mit der Klärung dieser Frage wurde das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) beauftragt. Im Jahr 2000 war im betreffenden Fall die Eheschließung erfolgt; im Juli 2007 kam es zur Trennung. Ende August 2008 stellte die Frau den Scheidungsantrag, Ende September 2008 der Mann. Die finanzielle Auseinandersetzung gestaltete sich im Verlauf schließlich schwierig und im Mai 2009 machte die Frau im Scheidungsverfahren ergänzend Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung geltend. Dann beantragten beide Ehegatten das Ruhen des Verfahrens, um die finanziellen Folgen der Scheidung außergerichtlich klären zu können. Die Verhandlungen hatten noch kein konkretes Ergebnis gebracht, als der Mann im November 2015 starb.

Das OLG befand, dass die Ehegatten in dieser Situation erbrechtlich wie geschieden zu behandeln waren. Das Gesetz bestimmt, dass Ehegatten mit Blick auf die erbrechtlichen Folgen wie geschieden gelten, sobald zwischen ihnen die Voraussetzungen der Scheidung vorliegen und der verstorbene Gatte die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Das war hier der Fall. Die Verzögerung von sechseinhalb Jahren, in der es seit Antragstellung noch nicht zur Scheidung gekommen war, behandelte das Gericht als nicht beachtlich, um an diesem Ergebnis zu rütteln. Schließlich waren Verhandlungen um die Folgen der Scheidung der Grund der Verzögerung – nicht etwa Versöhnungsversuche oder sonstige Bemühungen, die Ehe zu retten.

Da damit der Frau keine erbrechtlichen Ansprüche nach Ableben des Mannes zustanden, konnte sie vom Erben des Mannes stattdessen Zugewinnausgleich verlangen.

Hinweis: Die Konsequenzen im Fall des Todes eines Ehegatten während des Scheidungsverfahrens sind unterschiedlich. Fachkundiger Rat ist in solch einer Situation ratsam.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.09.2017 – II-6 UF 30/17

Thema: Familienrecht

Bank muss zurückzahlen: Überweisungen, die ohne Zustimmung aller Miterben getätigt werden, sind unwirksam

Tritt mehr als eine Person das Erbe eines Verstorbenen an, sind diese Personen sogenannte Miterben, die eine Erbengemeinschaft bilden. Da die Erbengemeinschaft den Nachlass gemeinsam verwaltet, kommt es hierbei immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Beteiligten.


Ein Mann setzte in seinem Testament seinen Sohn und seine Tochter zu jeweils hälftigen Erben ein. Seinem Sohn hatte er zudem eine Vollmacht für sein Bankkonto erteilt, die auch über den Tod hinaus gelten sollte. Die Tochter widerrief diese Vollmacht jedoch gegenüber der Bank und teilte mit, dass in Zukunft nur beide Erben gemeinsam über das Konto verfügen sollten. Dies bestätigte die Bank auch. Trotzdem wurden in der Folgezeit Überweisungen vorgenommen, die allein der Bruder veranlasst hatte. Seine Schwester verlangte daraufhin das Geld von der Bank zurück.

Das Gericht entschied, dass eine Autorisierung der Zahlungen alleine durch den Bruder nicht ausreichend war. Als Miterbe konnte er über das Konto nur verfügen, wenn der andere Miterbe – also seine Schwester – die Zustimmung erteilt. Das Gericht folgte zudem nicht dem Argument der Bank, dass sich die Schwester rechtsmissbräuchlich verhalten würde, weil die Zahlungen dazu gedient hätten, ohnehin fällige Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen. Die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses kann von einem Dritten wie der Bank nicht eingefordert werden.

Hinweis: Die Verwaltung des Nachlasses steht allen Miterben gemeinschaftlich zu. Forderungen, die zum Nachlass gehören, können daher grundsätzlich nur von allen Erben der Erbengemeinschaft gemeinsam geltend gemacht werden. Einzelnen Miterben steht zwar das alleinige Forderungsrecht zu, jedoch müssen sie die Leistung an alle Miterben der Erbengemeinschaft gemeinschaftlich verlangen. Jeder Miterbe ist hierbei zur Mitwirkung verpflichtet.

Quelle: LG Aachen, Urt. v. 18.01.2018 – 1 O 138/16

Thema: Erbrecht

Erbe in Beweisnot: Nur schriftlich fixierte Stundungsvereinbarungen hemmen die Verjährung geerbter Forderungen

Zum Erbe gehören nicht nur Vermögensgegenstände wie Geld oder Grundstücke, sondern auch Ansprüche und Forderungen, die vom Erblasser ebenso auf die Erben übergehen können. Dass aber auch hier das alte Motto „Wer schreibt, bleibt“ zählt, zeigt der nächste Fall.

Ein Mann war Inhaber eines Unternehmens und übertrug dieses noch vor seinem Tod an seinen Sohn. Im Gegenzug verpflichtete sich der Sohn, für ihn zu sorgen und ihm eine monatliche Leibrente von 10.000 DM zu zahlen. Seine Tochter setze der Mann im selben Jahr in seinem Testament zur Alleinerbin ein. Bereits einige Jahre später veranlasste der Vater, dass ihm eine geringere Leibrente monatlich ausgezahlt wurde. Nach seinem Tod verlangte nun die Tochter den Differenzbetrag. Sie trug vor, dass der Betrag durch den Vater zwar gestundet, aber nicht erlassen worden sei.

Das Gericht stellte klar, dass die Tochter als Alleinerbin auch die Ansprüche auf die Leibrente ihres Vaters geerbt hatte. Ihr Bruder konnte jedoch gegen diese Ansprüche alle Einwendungen vorbringen, die ihm auch gegen den Vater zugestanden hätten, insbesondere die Einrede der Verjährung. Eine Stundungsvereinbarung, die die Verjährung gehemmt hätte, konnte die Tochter nämlich nicht beweisen. Daher sprach ihr das Gericht nur den Betrag zu, der von der dreijährigen Verjährungsfrist nicht betroffen war.

Hinweis: Der vorliegende Fall zeigt auch, dass es bei einem Verfahren häufig entscheidend darauf ankommt, was welche Partei beweisen kann. Daher sollten auch Vereinbarungen – wie der Erlass oder die Stundung einer Forderung – immer schriftlich dokumentiert werden. 
  
 Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 24.10.2017 – 10 U 14/17

zum Thema: Erbrecht