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Schlagwort: Testamentserrichtung

Erbeinsetzung oder Vermächtnisanordnung? Einstige Vorstellung des Erblassers über die Zusammensetzung des Nachlasses ist mitentscheidend

Ob man zum Erben oder Nachlassempfänger wird, ist auch bezüglich der mit dem jeweiligen Status verbundenen Verpflichtungen nicht unerheblich. Im folgenden Fall musste das Oberlandesgericht Rostock (OLG) entscheiden, ob der Wert eines zugewandten einzelnen Gegenstands – hier eine Immobilie – allein schon darüber entscheidet, dass der Empfänger zum Erben wird, wenn der restliche Nachlass nicht an den Gegenstandswert heranreicht.

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Ungeborener Sohn: Es muss eindeutig sein, dass ein Testament auch bei Wissen um neue Umstände hätte gelten sollen

Nach der gesetzlichen Regelung kann ein Testament angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, der erst nach Testamentserrichtung geboren wurde. Eine solche Anfechtung ist nur ausgeschlossen, soweit anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die gleichen Verfügungen getroffen hätte.


Ein Mann hinterließ nach seinem Suizid ein handschriftliches Testament, in dem er anordnete, dass sein Vermögen „zu gleichen Teilen unter meinen Kindern … verteilt wird“. Die Kinder stammten aus früheren Beziehungen, er hatte jedoch einige Monate vor seinem Tod ein weiteres Mal geheiratet. Die Witwe griff das Testament nun an mit der Begründung, dass darin ihr gemeinsames Kind nicht erwähnt wurde, das erst nach dem Tod des Mannes geboren wurde. Die anderen Kinder argumentierten dagegen, dass der Mann noch vor seinem Tod von der Schwangerschaft erfahren hatte und daher eine entsprechende Regelung für sein ungeborenes Kind hätte treffen können – wenn er das gewollt hätte.

Das Gericht stellte klar, dass die Vermutung, dass der Erblasser bei Kenntnis von seiner Existenz den weiteren Pflichtteilsberechtigten im Testament berücksichtigt hätte, nicht schon dadurch widerlegt wird, dass der Erblasser untätig bleibt und sein Testament nicht ändert. In diesem Fall ließ sich auch nicht positiv feststellen, dass er das Testament genauso auch in Kenntnis von dem weiteren Kind formuliert hätte. Damit konnte die Ehefrau das Testament für ihr Kind wirksam anfechten. Die Anfechtung führte nach Auffassung des Gerichts zur Nichtigkeit der gesamten letztwilligen Verfügung, so dass die gesetzliche Erbfolge eintrat und die Ehefrau sowie ihr Kind auch zu Erben wurden.

Hinweis: In der Rechtsprechung ist umstritten, ob bei einer Anfechtung in einem solchen Fall das gesamte Testament oder nur Teile davon nichtig sind. In diesem Urteil wurde erneut die Auffassung bestätigt, dass einzelne Verfügungen nur dann wirksam bleiben, wenn positiv feststellbar ist, dass sie der Erblasser so auch getroffen hätte, falls er zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung Kenntnis von dem weiteren Pflichtteilsberechtigten gehabt hätte.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.05.2018 – 8 W 302/16

Thema: Erbrecht

Handschriftliche Testamentserrichtung: Vorsicht bei Einleitungen, die gleichsam als Anlass oder als Bedingung interpretiert werden könnten

Bei handschriftlichen Testamenten sind Formulierungen häufig mehrdeutig. Daraus folgt, dass es oftmals nicht ganz klar ist, was der Erblasser genau veranlassen wollte. In solchen Fällen müssen die Gerichte dann durch Auslegung den wahren Willen des Erblassers ermitteln.

 

Eine Frau hinterließ ein handschriftliches Testament, das mit dem Satz begann: „Für den Fall, das ich heute … tödlich verunglücke, …“. Die Erben stritten nun darüber, ob dieser Satz so zu verstehen war, dass die Erblasserin damit nur eine Regelung treffen wollte, wenn sie an diesem genannten Tag versterben sollte, oder ob sie allgemein die Erbfolge ab diesem Zeitpunkt regeln wollte.

Das Gericht entschied, dass die Formulierung keine Bedingung darstellt, von deren Eintritt die Wirksamkeit des Testaments abhängen sollte, sondern lediglich den Anlass für die Testamentserrichtung mitteilte. Es führte aus, dass bei Testamenten mit solchen Formulierungen der Wille des Erblassers immer dann erforscht werden muss, wenn nach Nichteintritt des genannten Ereignisses der Erblasser das Testament nicht widerrufen oder ein abweichendes Testament errichtet hatte. Lässt der Inhalt der Anordnungen im Testament keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt des Erblassers erkennen, ist anzunehmen, dass die Anordnungen auch dann gelten sollen, wenn der Erblasser unter anderen Umständen verstirbt als denjenigen, die er als Anlass für die Errichtung des Testaments angesehen hatte. Da es im diesem Fall keine vergleichbare Situation – wie etwa eine anstehende Operation – gab, bei der die Erblasserin ernsthaft den Eintritt ihres Todes befürchten musste, und sie danach noch 16 Jahre weiterlebte, ging das Gericht davon aus, dass das Testament weiterhin gültig war.

Hinweis: Sofern in Testamenten der Anlass für die Errichtung genannt wird, sollte bei der Formulierung genau darauf geachtet werden, damit nicht eine Bedingung für die Gültigkeit des Testaments zu verfassen, die gar nicht gewollt ist. Testamente, die aus einem besonderen Anlass heraus verfasst werden, etwa weil eine (gefährliche) Reise oder ein medizinischer Eingriff ansteht, sollten zudem danach vernichtet bzw. geändert werden, wenn sie keine Gültigkeit mehr haben sollen.

Quelle: KG, Beschl. v. 24.04.2018 – 6 W 10/18

Thema: Erbrecht

Vereinzeltes Fortbestehen: Ausnahmen bei der generellen Nichtigkeit erfolgreich angefochtener Testamente

Letztwillige Verfügungen können aus verschiedenen Gründen angefochten werden, zum Beispiel wenn der Erblasser getäuscht oder bedroht wurde oder – wie im folgenden Fall – wenn der Erblasser ein Kind übergangen hat, das erst nach der Testamentserrichtung geboren wurde.

Ein Mann hatte mit seiner Frau zwei Kinder. Ungefähr ein Jahr vor der Geburt des zweiten Kindes errichtete er ein notarielles Testament, in dem er seinen erstgeborenen Sohn zum Alleinerben erklärte und seine Frau aus steuerlichen Gründen enterbte. Nach dem Tod des Erblassers focht die Ehefrau das Testament mit der Begründung an, dass der Mann sein zweites Kind nicht übergehen wollte.

Das Gericht musste nun zunächst die Frage klären, ob der Mann sein zweites Kind bewusst enterbt hatte. Allein die Tatsache, dass er sein Testament nach der Geburt seines zweiten Kindes nicht geändert hatte, ließ nach Auffassung des Gerichts nicht darauf schließen, dass er dieses Kind habe übergehen wollen – er war schließlich kurz nach dessen Geburt im Alter von nur 47 Jahren gestorben. Die Anfechtung war somit zulässig.

Im zweiten Schritt musste das Gericht nun darüber entscheiden, welche Auswirkungen diese Anfechtung hat. Es stellte zwar fest, dass eine Anfechtung generell zur Nichtigkeit des gesamten Testaments führt. Es bleiben unter Umständen jedoch einzelne Verfügungen für den Fall wirksam, wenn positiv zu bewerten ist, dass sie der Erblasser auch getroffen hätte, wenn er zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments Kenntnis von dem weiteren Pflichtteilsberechtigten gehabt hätte. Da der Verstorbene nach Auffassung des Gerichts die Enterbung der Ehefrau aus steuerlichen Gründen auch angeordnet hätte, wäre das zweite Kind schon geboren gewesen, blieb diese einzelne Verfügung daher bestehen. Ansonsten war das Testament nichtig: Die Kinder wurden jeweils zur Hälfte zu Erben.

Hinweis: Bei der Anfechtung einer letztwilligen Verfügung sollte genau überlegt werden, welche Konsequenzen diese hat. Bei der Nichtigkeit eines Testaments können die gesetzliche Erbfolge, die Regelungen aus einem früheren Testament oder auch einzelne Regelungen aus dem angefochtenen Testament zum Tragen kommen. In kompliziert gelagerten Fällen sollte daher besser fachkundiger Rat eingeholt werden.

Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 07.12.2015 – 3 Wx 108/15
Thema: Erbrecht