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Schlagwort: Unterhaltspflichtiger

Mindestunterhalt bei Gesundheitseinschränkungen: Fiktive Einkünfte dürfen nicht ohne hinreichende gerichtliche Feststellungen angerechnet werden

Hat ein Unterhaltspflichtiger nur geringe Einkünfte, ist er damit nicht automatisch von der Verpflichtung befreit, Unterhalt zu zahlen. Gegebenenfalls ist mit erzielbaren und also fiktiven Einkünften zu rechnen. Was dabei zu beachten ist, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dargelegt.

Die betreffenden Kinder lebten beim Vater. Die Mutter – Floristin, psychisch vorbelastet und in Teilzeit arbeitend – sollte folglich Unterhalt zahlen. Ärztlich angeraten wurden ihr nur bis zu 16 Arbeitsstunden wöchentlich, tatsächlich arbeitet sie jedoch 20 Stunden. Dennoch reichte dies für den Kindesunterhalt nicht aus. Nur wenn sie in Vollzeit einer Tätigkeit nachgehen würde, stünden ihr ausreichend Mittel zur Verfügung, den Mindestunterhalt für die Kinder zu zahlen. Das Oberlandesgericht Naumburg (OLG) hatte sie deshalb in zweiter Instanz auf der Basis fiktiver Einkünfte zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Das BVerfG hob die Entscheidung jedoch auf.

Zunächst ist es am Unterhaltspflichtigen, darzutun und zu beweisen, warum es ihm nicht möglich sei, den geforderten Mindestunterhalt zu leisten. Die Anforderungen sind hoch, denn es gilt der generelle Grundsatz, dass selbst jemand ohne Ausbildung und in selbst schwierigen Arbeitsmarktphasen den Mindestunterhalt zahlen könne. Gegebenenfalls müsse dafür auch ein Nebenjob angenommen werden – bis zu 48 Stunden Arbeit pro Woche seien zumutbar. Streng zu prüfen sei also jede Behauptung, es könne sogar der Mindestunterhalt nicht gezahlt werden. Zweifel und Unklarheiten gehen zwar erst einmal zu Lasten des Unterhaltspflichtigen – doch in dem hier behandelten Fall hätte zunächst näher der Frage nachgegangen werden müssen, inwieweit die Mutter gesundheitsbedingt außerstande war, mehr zu arbeiten. Und genau dabei hatte es sich das OLG etwas zu einfach gemacht: Wenn sie nach ärztlicher Vorgabe nur 16 Stunden arbeiten könne, tatsächlich aber 20 Stunden arbeite, dann seien ihr auch 40 Stunden möglich. So einfach ist es in den Augen des BVerfG dann doch nicht: Es verwies den Fall wegen eines Verfassungsverstoßes zurück an das OLG und fordert es nach eingehender Prüfung der individuellen Gesamtumstände zur erneuten Entscheidung auf.

Hinweis: Die Unterhaltsverpflichtung spielt auch im Fall von Arbeitslosigkeit eine Rolle. Wer arbeitslos ist, kann sich nicht darauf beschränken, sich arbeitslos zu melden. Er muss auch selber initiativ werden und von sich aus auf Stellenanzeigen reagieren, damit er seine Unterhaltspflichten erfüllen kann.

Quelle: BVerfG, Beschl. v. 09.11.2020 – 1 BvR 697/20

Thema: Familienrecht

Vater unbekannt: Ein Mindestmaß an Mitwirkung ist Voraussetzung für den Bezug von Leistungen nach dem UVG

Wer als Alleinerziehende/r dringend Unterhalt benötigt, kann unter bestimmten Voraussetzungen staatliche Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) beziehen. Eine Voraussetzung dafür ist allerdings, daran mitzuwirken, die Person ausfindig zu machen und damit in Anspruch nehmen zu können, die vorrangig unterhaltspflichtig ist. Wie ausgeprägt diese Mitwirkungspflicht ist, musste im folgenden Fall das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG) bewerten.

Diese Frage beschäftigte das OVG: Eine Frau beantragte Leistungen nach dem UVG für ihre Zwillinge. Der Vater der Kinder sei ihr nach eigener Angabe unbekannt. Auf nähere Nachfrage erklärte sie, sie habe am 13.02.2013 in einem Brauhaus einen Mann kennenlernt, von dem sie nur sagen könne, er sei ein Südländer. Mit diesem habe sie einen kurzen One-Night-Stand gehabt und am 25.02.2018 festgestellt, dass sie schwanger sei. Sie wollte sich im Brauhaus nach dem Mann erkundigen, um Näheres über ihn zu erfahren, setzte dieses Vorhaben allerdings nicht die Tat um – auch nicht im Laufe des gerichtlichen Verfahrens.

Generell gilt, dass Leistungen nach dem UVG nur Personen gewährt werden, die das ihnen Mögliche und Zumutbare unternehmen, die Person des Unterhaltspflichtigen zu bestimmen. Natürlich ist dabei wie so oft einzelfallbezogen zu prüfen, was das bedeutet. Hier hat das OVG in seiner Entscheidung darauf erkannt, dass die Frau nicht im gebotenen Maße dieser Mitwirkungspflicht nachgekommen ist. Dazu hätte sie nach Kenntnis ihrer Schwangerschaft zumindest zu dem Brauhaus fahren müssen, um sich darum zu bemühen, den Namen des Mannes zu erfahren, mit dem sie Geschlechtsverkehr hatte. Nichts in dieser Hinsicht unternommen und den Dingen ihren Lauf gelassen zu haben, sei nicht zu akzeptieren. Das Versäumnis kann nun nicht mehr nachgeholt werden, der Vater bleibt unbekannt. Dass der Staat auf den Kosten dieser Säumnis sitzen bleibt, indem er Leistungen erbringt und den Vater nicht in Regress nehmen kann, ist unter diesen Umständen nicht hinzunehmen.

Hinweis: Wer Leistungen nach dem UVG in Anspruch nehmen will, tut gut daran, sich darum zu bemühen, dass der Staat als Leistender in der Lage ist, sich sein Geld vom Unterhaltspflichtigen zurückzuholen. Denn wie der Name es schon sagt: Ein Vorschuss soll im Idealfall auch nur ein solcher bleiben.

Quelle: OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.09.2018 – 7 A 10300/18

Thema: Familienrecht