Schläge und Reue: Scheitert der Versuch, dem anderen zu verzeihen, kann die Scheidung auch vorzeitig erfolgen
In den allermeisten Fällen setzt eine Scheidung voraus, dass die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben. Erst nach dieser Wartezeit kann die notwendige Prognose erfolgen, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist. Zu einem früheren Zeitpunkt kann die Scheidung nur verlangt werden, wenn die Fortsetzung der Ehe eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
Ab wann eine solche – in der Praxis nur selten bestätigte – unzumutbare Härte vorliegt, musste das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) in diesem Fall entscheiden: Ein Mann hatte seine Gattin mehrfach geschlagen und war auch gegenüber den gemeinsamen Kindern gewalttätig geworden. Die Frau wollte deshalb vor Ablauf des Trennungsjahres geschieden werden. Der Mann trat dem entgegen und lehnte die Scheidung ab. Da die Frau kein Geld hatte, das Scheidungsverfahren zu bezahlen, beantragte sie deshalb vorab Verfahrenskostenhilfe. Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag ab, da die Voraussetzungen für eine vorzeitige Scheidung seines Erachtens nach nicht vorlägen. Die Gewalttätigkeiten würden zwar die vorzeitige Scheidung zulassen. Im parallel geführten Verfahren zur Regelung des Umgangs des Vaters mit den Kindern habe die Frau aber erklärt, sie habe ihrem Mann verziehen und wolle wieder mit ihm zusammenleben. Wegen dieser Verzeihung könne eine vorzeitige Scheidung deshalb nicht erfolgen.
Doch auf die daraufhin erfolgte Beschwerde sprach das OLG als nächste Instanz der Frau die Verfahrenskostenhilfe durchaus zu. Das Verzeihen ist nämlich wie ein Versöhnungsversuch anzusehen. Soweit bei einer „normalen“ Scheidung während des Trennungsjahres ein solcher Versöhnungsversuch unternommen wird und dann jedoch scheitert, wird dadurch der Lauf des Trennungsjahres nicht unterbrochen. Dasselbe gilt daher auch für den Fall, dass eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres begehrt wird: Scheitert der Versuch zu verzeihen, ist die vorzeitige Scheidung dennoch auszusprechen.
Hinweis: Scheidungsanträge wegen unzumutbarer Härte bleiben die absolute Ausnahme.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.12.2016 – 5 WF 133/16
Familienrecht