Grobe Fahrlässigkeit: Alleinige Haftung des Fahrradfahrers nach Kollision mit einem Auto
Überquert ein Radfahrer trotz ihm versperrter Sicht von einem Gehweg aus eine Straßeneinmündung, kann dies im Fall einer Kollision dazu führen, dass ihn die alleinige Schuld an dem Unfall trifft.
Ein Radfahrer befuhr entgegen der Fahrtrichtung innerorts einen Bürgersteig. Im Einmündungsbereich war ihm die Sicht in die von ihm aus links einmündende Straße durch einen abgestellten Transporter versperrt. Dennoch fuhr er weiter, so dass es zu einer Kollision mit einem Pkw kam, der langsam in Richtung Querstraße fuhr. Die Haftpflichtversicherung des Fahrradfahrers lehnte aufgrund seines Vorfahrtsrechts eine Zahlung ab und behauptete, eine Mithaftung des Pkw sei aus dessen sogenannter Betriebsgefahr gegeben.
Nach Ansicht des mit dem Fall beschäftigten Amtsgerichts haftet der Fahrradfahrer dem Pkw-Fahrer gegenüber jedoch zu 100 %. Der Radfahrer befuhr mit seinem Fahrrad verkehrswidrig den Gehweg in entgegengesetzter Richtung. Ohne abzusteigen oder anzuhalten, überquerte er die einmündende Straße, obwohl er zugab, dass ihm die Sicht links durch einen dort parkenden Pkw versperrt war. Sein Verhalten stellt sich somit als höchst leichtfertig dar. Schließlich musste er damit rechnen, dass sich Fahrzeuge aus der Seitenstraße langsam vortasten, um Einsicht in den Kreuzungsbereich zu erlangen. Eine Mithaftung aus der Betriebsgefahr auf Seiten des Pkw liegt hier deshalb nicht vor, da das Verhalten des Radfahrers grob verkehrswidrig war. Eine Mithaftung des Autofahrers tritt daher in diesem Fall vollständig zurück.
Hinweis: Nicht nur bei Unfällen zwischen Radfahrer und Pkw, sondern auch bei Unfällen zwischen Pkw kann eine Mithaftung aus der Betriebsgefahr vollständig zurücktreten, wenn sich das Verhalten des Unfallverursachers als grob fahrlässig darstellt. Grob fahrlässig handelt immer derjenige, der die gebotenen Sorgfaltsanforderungen in erheblichem Maße nicht beachtet.
Quelle: AG Wiesbaden, Urt. v. 01.10.2015 – 91 C 1333/15
Thema: Verkehrsrecht