Wechselbezügliche Verfügungen: Die Anfechtung eines Ehegattentestaments durch Dritte ist Bedingungen unterworfen
Wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten binden die Ehepartner über den Tod hinaus und können nur durch Anfechtung beseitigt werden. Dabei stellt sich natürlich auch die Frage, ob auch Dritte – etwa die Kinder eines Ehepaars – solche wechselbezüglichen Verfügungen anfechten können.
Sowohl Klägerin als auch Beklagte sind leibliche Töchter des Ehepaars. Dieses Ehepaar hatte ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament verfasst, in dem es sich gegenseitig als Erben und eine der Töchter als Schlusserbin des Letztversterbenden einsetzte. Die andere Tochter wurde in diesem Testament enterbt. Der Mann verfasste dann später ein Einzeltestament, in dem er seine Ehefrau als Alleinerbin einsetzte. Nach seinem Tod legte die Ehefrau dem Nachlassgericht nur dieses nachträgliche Einzeltestament vor. Als dann schließlich auch die Mutter verstarb, fand die Tochter mehr als ein Jahr darauf im Tresor der Eltern das gemeinschaftliche Testament, woraufhin ihre enterbte Schwester dem Nachlassgericht gegenüber die Anfechtung des Testaments wegen eines Motivirrtums ihrer Eltern erklärte: Diese seien damals wütend auf sie gewesen, weil sie entgegen deren Wunsch Sozialpädagogik statt Medizin studiert und ihre Eltern außerdem erfolgreich auf Unterhaltsleistung verklagt hatte. Bereits etwa ein Jahr später hätten sich ihre Eltern jedoch wieder mit ihr versöhnt.
Das Gericht stellte klar, dass auch Dritte derartige wechselbezügliche Verfügungen prinzipiell anfechten können. Dabei ist jedoch entscheidend, ob die wechselbezügliche Verfügung des Erstversterbenden oder des Letztversterbenden angefochten wird. Die Richter entschieden daher in diesem Fall, dass die enterbte Tochter die Verfügung der Mutter zur Schlusserbeneinsetzung nicht anfechten konnte. Denn dieses Recht besteht nur, wenn das Recht des Erblassers, die Verfügung aus demselben Grund anzufechten, zur Zeit des Erbfalls noch nicht erloschen ist. Hier war die Jahresfrist für eine solche Selbstanfechtung durch die Mutter jedoch bereits abgelaufen, da die Mutter selbst den behaupteten Motivirrtum als Anfechtungsgrund bei der Versöhnung mit der Tochter hätte erkennen können.
Bei der Anfechtung der Verfügung des Vaters sah es jedoch anders aus: Beim Erstversterbenden tritt die Bindungswirkung der wechselseitigen Verfügungen nicht ein, da er zu Lebzeiten die Verfügungen widerrufen kann. Das Widerrufsrecht endet mit dem Tod – das Anfechtungsrecht eines Dritten jedoch nicht. Dies hätte nämlich zur Folge, dass eine Anfechtung durch Dritte immer und unabhängig davon ausgeschlossen wäre, ob der Erblasser Kenntnis von Tatsachen hatte, die ein Anfechtungsrecht begründen. Damit wäre es nicht mehr möglich, dem wahren Willen des Erblassers Geltung zu verschaffen. Für einen solch umfassenden Ausschluss der Drittanfechtung bei derartigen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament lässt sich dem Gesetz jedoch nach Auffassung des Gerichts nichts entnehmen.
Das Gericht verwies die Sache also an das Berufungsgericht zurück, damit dieses ermittelt, ob der Vater sich in einem solchen Motivirrtum befunden hatte. Ist dies der Fall, könnte die enterbte Tochter wirksam anfechten – und ihre Schwester wäre nicht wirksam als Alleinerbin eingesetzt worden.
Hinweis: Gemeinschaftliche Verfügungen können widerrufen werden, solange beide Ehegatten leben – und zwar von beiden ohne Angabe von Gründen. Nach dem Tod eines Ehegatten kann der Überlebende sich gegen diese Verfügungen nur mehr durch Anfechtung wehren. Dazu benötigt er jedoch einen Anfechtungsgrund und muss die entsprechende Frist beachten. Gleiches gilt für einen Dritten, der die Verfügungen des Überlebenden anfechten will. Das Anfechtungsrecht kann also bereits beim Erbfall erloschen sein, wenn der Erblasser den Anfechtungsgrund kannte und nichts unternommen hat. Will ein Dritter jedoch die Verfügungen des Vorverstorbenen angreifen, gilt diese Frist nicht. Sie kann also nie bereits mit dem Tod des Vorverstorbenen abgelaufen sein. In diesem Fall muss der Dritte nur nachweisen, dass sich der Erstversterbende in einem Irrtum befand.
Quelle: BGH, Urt. v. 25.05.2016 – IV ZR 205/15
Thema: Erbrecht