Selbstverschuldete Verzögerungen: Zulässige Verhängung eines Fahrverbots nach Ablauf von mehr als zwei Jahren seit Tatbegehung
Gut Ding will bekanntlich auch in juristischen Fragen oftmals Weile haben. Wenn ein Beschuldigter jedoch zwischen Einspruch und Urteil gegen einen Bußgeldbescheid und dem damit verbundenen Fahrverbot ganze zwei Jahre warten musste, stellt sich die Frage, ob das Fahrverbot immer noch Bestand haben solle. Die Antwort darauf liefert das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG).
Gegen den hier betroffenen Fahrzeugführer wurde neben einer Geldbuße auch ein Fahrverbot verhängt. Gegen den Bußgeldbescheid legte er Einspruch ein. Ein Urteil in der Sache konnte erst zwei Jahre nach der Tat gesprochen werden, und in diesem wurde das Fahrverbot nicht aufgehoben.
Hinsichtlich dieser Zweijahresfrist kommt es auf den Zeitraum zwischen Tatbegehung und der letzten tatrichterlichen Verhandlung an. Dieser Zeitrahmen führt jedoch nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot, sondern ist lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass die Prüfung geboten ist, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann. Dann bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist. Diese Zweijahresfrist war bei der Entscheidung des Amtsgerichts hier zwar abgelaufen, jedoch ist bei der Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist. Insbesondere muss dann geprüft werden, ob die maßgeblichen Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder ob sie Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind. Hier war vielmehr Ersteres ausschlaggebend, da der Hauptverhandlungstermin mehrfach auf Wunsch des Betroffenen bzw. seines Verteidigers verschoben wurde, und der Betroffene mehrfach nicht zur Hauptverhandlung erschienen ist, ohne sich vorher zu entschuldigen. Daher bestätigte das OLG den Beschluss, dass trotz der langen Dauer hier nicht vom Fahrverbot abzusehen sei.
Hinweis: Grundsätzlich können die Ausschöpfung von Rechtsmitteln und der Gebrauch der dem Betroffenen in der Prozessordnung eingeräumten Rechte nicht als eine von ihm zu vertretende Verfahrensverzögerung entgegengehalten werden. Anderes gilt jedoch, wenn die lange Dauer des Verfahrens (auch) auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Betroffenen liegen. Ungeachtet der Verschleppung des Verfahrens kann auch bei einer Verfahrensdauer von insgesamt mehr als zwei Jahren die Anordnung eines Fahrverbots in Betracht kommen, wenn sich der Betroffene in der Zwischenzeit – also nach der zu ahndenden Ordnungswidrigkeit – weitere Ordnungswidrigkeiten hat zuschulden kommen lassen.
Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.06.2021 – 1 OLG 53 Ss-OWi 221/21