Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (OVG) in Saarlouis musste sich im Folgenden mit einer Halterin verschiedener Firmenfahrzeuge auseinandersetzen, die sich mit den Folgen ihrer Renitenz bei der Mitwirkung von Anhörungsverfahren befassen musste. Ob allein ihre Nachgiebigkeit bei der Verfolgung der letzten Ordnungswidrigkeit das Verhängen einer Fahrtenbuchauflage bezüglich aller auf sie zugelassenen Fahrzeuge verhindern kann, lesen Sie hier.
Spätestens seit der Pandemie ist die sogenannte Systemrelevanz bestimmter Berufgruppen ins Bewusstsein der Allgemeinheit geraten. Doch bei allem Respekt für jene Leistungsträger dürfen diese nicht vergessen, dass Verkehrsverstöße auch bei Berufsgruppen geahndet werden müssen, die augenscheinlich auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen sind. Im folgenden Fall bestand die Staatsanwaltschaft auf die Erteilung eines Fahrverbots – das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) musste entscheiden.
Nachdem im März 2020 ein Autofahrer innerhalb einer geschlossenen Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit einer 30er-Zone um ganze 33 km/h überschritt, verurteilte ihn das zuständige Amtsgericht zu einer Geldbuße in Höhe von 480 EUR. Von einem Fahrverbot für die Dauer von einem Monat sah das Gericht jedoch ab. Es berücksichtigte insofern, dass der Autofahrer als stellvertretender Leiter der zentralen Notaufnahme eines Klinikums und der damit einhergehenden grundsätzlichen Rufbereitschaft am Wochenende, abends oder im Urlaub auf die Fahrzeugnutzung angewiesen sei. Die Staatsanwaltschaft sah dies jedoch anders und legte Rechtbeschwerde ein.
Das BayObLG entschied zugunsten der Staatsanwaltschaft und verhängte gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat. Zugleich reduzierte das Gericht die Geldbuße auf 320 EUR. Zwar sei es zutreffend, dass der Betroffene durch ein Fahrverbot empfindlich in seiner gewohnten Berufsausübung berührt sei. Dies rechtfertige aber angesichts des groben Pflichtenverstoßes nicht ein Absehen vom Regelfahrverbot. Der Betroffene könne aber der begrenzten Fahrverbotsdauer mit organisatorischen Maßnahmen und der Inanspruchnahme von Dritten in wirtschaftlich vertretbarer Weise begegnen, um seine Einsatzbereitschaft wahrzunehmen und die beruflichen Pflichten zu gewährleisten. Er könne etwa vorübergehend ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz anmieten. Die dafür anfallenden Kosten seien schon deshalb als grundsätzlich zumutbar anzusehen, weil ihnen die ersparten Kosten für die private Fahrzeugnutzung gegenüberzustellen sind.
Hinweis: Aus der Bußgeldkatalogverordnung ergibt sich nicht, dass ausnahmslos ein Fahrverbot zu verhängen ist. Vielmehr steht dem Tatrichter ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen.
Quelle: BayObLG, Beschl. v. 19.01.2021 – 202 ObOWi 1728/20
Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn ein Fahrzeugführer unter Inanspruchnahme zweier vorhandener Richtungsfahrstreifen zwischen links- und rechtsabbiegenden Fahrzeugen hindurch geradeaus in eine Kreuzung einfährt und dort mit einem Pkw kollidiert, dessen Fahrer nach links abzubiegen gedenkt.
Ein Geschäftsführer fuhr innerorts mit seinem Firmenfahrzeug auf eine Kreuzung zu, um diese geradeaus zu passieren. Vor ihm wollte ein Fahrzeug nach links auf einer für ebendiese Fahrtrichtung bestimmten Spur abbiegen. Ein weiteres Auto vor ihm plante, nach rechts abzubiegen, und befuhr dafür die rechte Spur, die Rechtsabbiegern und Geradeausfahrern zugedacht war. Statt den Rechtsabbieger gewähren zu lassen, um danach in gerader Fahrtrichtung passieren zu können, fuhr der Geschäftsführer unter Mitbenutzung der Linksabbiegerspur auf die Kreuzung. Prompt kam es zur Kollision mit einem Fahrzeug, das sich auf der Linksabbiegerspur der Gegenfahrbahn befand.
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat eine (Mit-)Haftung des entgegenkommenden Pkw verneint und die alleinige Haftung dem Geradeausfahrer zugesprochen. Nach Ansicht des Gerichts hat der Geschäftsführer gleich zwei grobe Verkehrsverstöße begangen: Zum einen hat er im Kreuzungsbereich überholt, obwohl die Verkehrslage dieses Verhalten nicht zuließ. Dabei hatte er als Geradeausfahrer die durch den dort Abbiegenden blockierte Linksabbiegerspur genutzt statt die ihm für seine Fahrtrichtung zugedachte – nur um den vor ihm fahrenden Rechtsabbieger zu überholen, mit dem er sich eine Spur zu teilen hatte. Dies allein stellt angesichts der örtlichen Verhältnisse am Unfallort ein unzulässiges und grob verkehrswidriges Verhalten dar. Zum anderen war der Geschäftsführer zusätzlich mit unangepasster Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren. Die vernommenen Zeugen haben angegeben, dass der Mann mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h bzw. höher als 50 km/h fuhr. Ein Verkehrsverstoß des entgegenkommenden Fahrzeugführers steht nach Überzeugung des Gerichts dagegen nicht fest, da er sich noch auf seiner Linksabbiegerspur und nicht auf der Gegenfahrspur befand.
Hinweis: Unklar ist eine Verkehrslage dann, wenn unter anderem den Umständen entsprechend nicht mit einem gefahrlosen Überholvorgang gerechnet werden darf. Die Straßenverkehrsordnung verbietet in einem solchen Fall das Überholen.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 17.12.2015 – 7 U 53/15 Thema: Verkehrsrecht