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Schlagwort: Verwirkung

Engagement mehrfach angemahnt: Erwerbsloser und untätiger Familienvater verwirkt Anspruch auf Trennungsunterhalt

Waren die ehelichen Lebensverhältnisse davon geprägt, dass nur einer der Ehegatten arbeitete, ist dem zuhause Gebliebenen bei Trennung zumindest vorübergehend Unterhalt zu zahlen. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte muss dann nicht sofort arbeiten gehen. Aber dieser Grundsatz gilt nicht uneingeschränkt, wie das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) zeigt.


Nach der Trennung verlangte der Mann von der erwerbstätigen Frau Trennungsunterhalt. Er selbst hatte in der Ehezeit nur unregelmäßig gearbeitet, zuletzt gar nicht mehr. Allein unter diesen Umständen hätte die Frau dem Mann zweifellos Unterhalt zahlen müssen. Während des Trennungsjahres wäre der Mann auch nicht darauf verwiesen worden, sogleich eine Arbeitsstelle zu suchen und anzutreten. Die Besonderheit des Falls sah das OLG jedoch in folgender Tatsache: Die Frau hatte sich neben der Erwerbstätigkeit nämlich zusätzlich um die Erziehung der Kinder gekümmert und den Haushalt geführt. In dieser Hinsicht hatte der aus Algerien stammende Mann jede Mitwirkung verweigert.

So wurde dem Mann entsprechend auch der Unterhalt verweigert, weil die Ehefrau allein dafür sorgte, dass die Familie nicht in Schwierigkeiten geriet, während er seinerseits untätig zusah. Somit hat er in den Augen der Richter seine Pflicht, zum Familienunterhalt in welcher Form auch immer beizutragen, in der gemeinsamen Zeit gröblich vernachlässigt. Er hatte seinen Unterhaltsanspruch verwirkt.

Hinweis: Das OLG wies darauf hin, dass die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs ein Verschulden voraussetzt. Dieses wurde vorliegend nicht einfach nur darin gesehen, dass der Mann in der Ehezeit letztlich zu keinem Zeitpunkt im Rahmen einer Erwerbstätigkeit oder jedenfalls dem Bemühen darum, eine solche zu finden, zum Familienunterhalt beigetragen hatte. Es stellte vielmehr fest, dass das Verschulden deshalb gegeben sei, weil der Mann untätig war, obwohl die Frau ihn immer aufgefordert hatte, endlich arbeiten zu gehen und nicht nur zu Hause rumzusitzen. Stoisch einen unzumutbaren Zustand hinzunehmen, reicht demnach also nicht aus, um später ein mangelndes Engagement einzuklagen!

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.02.2019 – II-1 UF 12/19

Thema: Familienrecht

Kontaktabbruch und Studienfachwechsel: Das OLG Brandenburg konkretisiert den Ausbildungsunterhaltsanspruch von Studenten

Wenn nach Trennung und Scheidung kein Kontakt mehr zu den Kindern besteht, kann sich erheblicher Streit ergeben, sobald ein Kind Unterhalt für sein Studium verlangt. Emotional ist das für beide Seiten eine schwierige Situation. Aber auch rein rechtlich ergeben sich Probleme. Ein Grund, warum im folgenden Fall das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) mit der Lösung betraut wurde.

Ein Kind studierte zuerst Medieninformatik, nahm sich dann ein Urlaubssemester, wechselte die Universität und studiert nunmehr das Fach Wirtschaftskommunikation. Den Vater, zu dem kein Kontakt bestand, nahm es auf Unterhalt in Anspruch. Aus der Fülle der mit dem Fall verbundenen Problembereiche seien die wesentlichen wie folgt herausgegriffen:

1. Das Studienfach wechseln kann ein Kind relativ problemlos bis zum Ende des zweiten Semesters. Ab dem dritten Semester ist die eingeschlagene Fachrichtung dann jedoch beizubehalten.

2. Zum Regelbedarf des Studierenden nach der Düsseldorfer Tabelle (aktuell 735 EUR) sind etwaige Studiengebühren – soweit diese noch anfallen – zusätzlich als Mehrbedarf zu zahlen, nicht aber Semesterbeiträge wie das Semesterticket, der AStA-Beitrag oder der Sozialbeitrag. Das Kindergeld ist vollständig auf den Bedarf anzurechnen. Nebeneinkünfte des Studierenden sind im Regelfall nicht anzurechnen, da der Student nicht verpflichtet ist, einer Nebenbeschäftigung nachzugehen, wenn er ein Vollzeitstudium betreibt. Das gilt zumindest dann, wenn er nicht den vollen Regelbedarf als Unterhalt erhält. BAföG-Leistungen hat der Student zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, auch wenn die BAföG-Zahlungen eventuell nur darlehensweise erfolgen. Bei sich erheblich ändernden wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern ist ein solcher Antrag auch erneut zu stellen.

3. Der Kontaktabbruch des Studenten zu seinen Eltern führt dabei nicht ohne weiteres zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Setzt ein Gericht den zu zahlenden Unterhalt fest, erfolgt nicht sogleich eine Befristung auf die Zeit bis zum Ende der Regelstudienzeit.

Hinweis: Die Probleme des Ausbildungsunterhalts sind zahlreich. Es ist deshalb ratsam, sich in einer solchen Situation fachkundigen Rat einzuholen.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 03.05.2018 – 10 UF 101/17

Thema: Familienrecht

Folgenlose Untätigkeit: Unterhaltsansprüche sind nicht automatisch verwirkt, weil sieben Jahre lang nicht vollstreckt wurde

Rückständiger Unterhalt wächst schnell zu einem Berg an. Der Gesetzgeber hat deshalb demjenigen, der Unterhalt zu beanspruchen hat, Pflichten auferlegt, diesen auch geltend zu machen. Immer wieder stellt sich die Frage nach den Grenzen dieser Pflichten, die in diesem Fall das Oberlandesgericht Köln (OLG) zu beantworten hatte.

Durch ein Urteil war bereits gerichtlich festgesetzt worden, dass ein Mann monatlich 223 EUR Trennungsunterhalt für die Zeit April 2007 bis April 2008 zu zahlen hatte. Die Frau unternahm dahingehend Ende 2008 einen Vollstreckungsversuch – erfolglos, denn er endete damit, dass die Frau kein Geld bekam und der Mann eine eidesstattliche Versicherung abgab. 2015 unternahm die Frau schließlich einen neuen Vollstreckungsversuch. Nun machte der Mann geltend, dass die Frau nach so langer Zeit kein Recht mehr auf den Unterhalt habe – es sei die Verwirkung eingetreten.

Doch das OLG Köln folgte der Argumentation des Mannes nicht. Wenn Unterhalt gerichtlich festgesetzt ist, verjährt ein solcher Anspruch von Gesetzes wegen erst nach 30 Jahren. Und diese Zeit war hier noch lange nicht verstrichen. Jedoch räumte das Gericht beim Thema Unterhalt ein, dass in besonderem Maße zu prüfen ist, ob statt der Verjährung womöglich die behauptete Verwirkung eingetreten ist. Über Verwirkung ist im Gesetz nämlich nichts geregelt, da sie nach der sogenannten Billigkeit angenommen wird. Es bedarf dabei eines Zeit- und eines Umstandsmoments. Wann genau das Zeitmoment erfüllt ist, ist schon einmal nicht klar in der Rechtsprechung definiert. Und auch beim Umstandsmoment sind die Dinge nicht abschließend gefestigt. Klar ist dazu aber, dass es beim Umstandsmoment nicht auf das Verhalten des Unterhaltspflichtigen ankommt, sondern auf das Verhalten des Unterhaltsberechtigten. Dieser muss dabei Umstände geschaffen haben, die den Unterhaltspflichtigen berechtigterweise annehmen lassen, der – immerhin titulierte – Unterhalt sei nicht mehr zu zahlen. Diese Umstände liegen aber nicht schon deshalb vor, wenn der Unterhaltsberechtigte nach der Titulierung untätig ist.

Hinweis: Wer nun der Meinung ist, dass die Verwirkung im Vergleich zur Verjährung ein Erfolgsgarant ist, ist dies zu Unrecht, wie dieser Fall zeigt. Eine Verwirkung wird in der Rechtsprechung immer nur ausnahmsweise angenommen.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 08.11.2016 – 26 UF 107/16

Thema: Familienrecht