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Schlagwort: Vorfahrtsverletzung

Unfall an Autobahnzufahrt: Amtsgericht muss klären, ob und wie viel Stillstand das Vorfahrtsrecht beim Einfädeln verwirken läss

Die Vorfahrtsregel, wonach der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt vor Fahrzeugen hat, die auf die Fahrbahn auffahren wollen, gilt auch beim sogenannten „Stop-and-Go-Verkehr“ – also bei einem Mindestmaß an Bewegung im Verkehr.

In einem solchen Zusammenhang beabsichtigte ein Autofahrer, auf eine Autobahn aufzufahren, auf der sich der Verkehr staute. Vor dem Fahrzeugführer fuhr ein weiteres Fahrzeug, dessen Fahrer es gelang, in eine Lücke zwischen zwei Sattelzügen auf die rechte durchgehende Fahrbahn einzufahren. Der Betroffene selbst kam in Schrägstellung vor einem Sattelzug zum Stehen. Beim Anfahren übersah dann der Fahrer des Sattelzugs den Pkw, so dass es zum Unfall kam. Gegen den Autofahrer wurde eine Geldbuße wegen einer Vorfahrtsverletzung von 110 EUR verhängt. Dagegen klagte der Mann, und das Oberlandesgericht Hamm (OLG) musste seiner Rechtsbeschwerde hier recht geben.

Das Gericht hat die Sache an das erstinstanzliche Amtsgericht zurückverwiesen. In seiner Entscheidung führt es aus, dass das vorbefasste Amtsgericht zwar zutreffend davon ausgegangen sei, dass der auf eine Autobahn Auffahrende das Vorfahrtsrecht des fließenden Verkehrs zu beachten habe – und zwar auch dann, wenn zähfließender Verkehr oder staubedingt Stop-and-Go-Verkehr herrsche. Aus dem Wort Vorfahrt ergibt sich allerdings auch, dass ein Mindestmaß an Bewegung des bevorrechtigten Verkehrs auf der durchgehenden Fahrbahn herrschen sollte, da anderenfalls nicht von einer „Fahrt“ gesprochen werden könne. Da das Amtsgericht keine konkreten Feststellungen dazu getroffen habe, wie lange der Sattelzug stand, bevor es zum Unfall kam, war die Angelegenheit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückzuverweisen.

Hinweis: Grundsätzlich geht auch das OLG davon aus, dass bei Stop-and-Go-Verkehr die Vorfahrtsregelungen auf Autobahnen zu beachten sind, nämlich dass der Auffahrende die Vorfahrt des Fahrzeugverkehrs auf den Hauptfahrstreifen zu beachten hat. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn in einer Weise zum Stehen gekommen ist, dass mit einer erneuten Fahrbewegung in kürzester Frist nicht zu rechnen ist. Hätte der Sattelzug etwa drei bis vier Minuten gestanden, wäre nach Auffassung des Gerichts eine Vorfahrtsverletzung nicht gegeben. 

 Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 03.05.2018 – 4 RBs 117/18

Thema: Verkehrsrecht

Mithaftung trotz Vorfahrt: Wer draufhält, statt angemessen zu reagieren, trägt nach einer Kollision die Schuld zur Hälfte

Konnte der Vorfahrtberechtigte die Kollisionsgefahr frühzeitig erkennen und hatte er hinreichend Zeit, sein Fahrzeug vor der Kollision zum Stehen zu bringen oder auszuweichen, ist von einer hälftigen Haftungsquote auszugehen.

Eine Autofahrerin fuhr in eine Hauptstraße, obwohl sich von links ein vorfahrtberechtigtes Fahrzeug näherte. Dann stand sie mit ihrem Heck quer auf der Fahrbahn, wobei das Heck ihres Fahrzeugs erheblich in die Fahrbahn des Vorfahrtberechtigten hineinragte. Hierbei kam es zwischen beiden zur Kollision.

Obwohl eindeutig eine Vorfahrtsverletzung vorlag, hat das Oberlandesgericht Celle hier eine Schadensverteilung von 50 : 50 vorgenommen. Die Wartepflichtige hat natürlich gegen ihre Pflicht verstoßen, beim Einfahren in die Fahrbahn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Indem sie quer auf der Fahrbahn stand, nachdem sie in die Straße hineingefahren war und damit ein Hindernis darstellte, obwohl sich aus ihrer Sicht von links der Vorfahrtberechtigte näherte, stand das schon einmal fest. Doch eben dieser Vorfahrtsberechtigte hätte die Kollisionsgefahr frühzeitig erkennen können und ausreichend Gelegenheit dazu gehabt, auf die teilweise Blockierung der von ihm befahrenen Fahrspur zu reagieren. Er hätte sein Fahrzeug abbremsen oder leichte Ausweichbewegung nach rechts ausführen und somit die Kollision seinerseits verhindern können. Das Gericht bewertet daher beide Verschuldensanteile gleichwertig.

Hinweis: Grundsätzlich spricht der Beweis des ersten Anscheins für das alleinige Verschulden des Wartepflichtigen bei der Kollision mit dem Vorfahrtberechtigten. Im vorliegenden Fall hat das Gericht allerdings darauf abgestellt, dass den Vorfahrtberechtigten ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls trifft, da er schlicht nicht reagiert hat, obwohl es ihm möglich gewesen wäre.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 19.12.2017 – 14 U 50/17

Thema: Verkehrsrecht

Nachgewiesene Manipulation: Sämtliche Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer des Verursachers verfallen

Manche Besonderheiten sprechen beim Unfallhergang stark für Indizien eines gestellten Unfalls. Wird eine solche Manipulation nachgewiesen, verfallen sämtliche Ansprüche gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des Verursachers.

Unter Missachtung der Vorfahrt fuhr ein schrottreifes Fahrzeug bei der Einfahrt in einen Kreisverkehr in ein mit rotem Kennzeichen versehenes Auto. Die Beteiligten riefen die Polizei, um die Vorfahrtsverletzung dokumentieren zu lassen. Doch das Oberlandesgericht München ging hier von einem gestellten Unfall aus, so dass es Schadensersatzansprüche gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers abwies.

Von Bedeutung war, dass ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger festgestellt hatte, dass beide Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h fuhren, bevor es zur Kollision kam. Weiterhin stellte der Sachverständige fest, dass das „Schrottfahrzeug“ in einem Kollisionswinkel von 65° bis 70° mit dem BMW kollidierte. Bei einer normalen Einfahrt in den Kreisverkehr hätte der Kollisionswinkel aber maximal bei 20° liegen müssen. Hieraus schloss der Sachverständige, dass der Fahrer des „Schrottfahrzeugs“ nahezu frontal in den Kreisverkehr hineingefahren ist. Weiterhin war für das Gericht von Bedeutung, dass das Schrottfahrzeug kurz nach dem Unfall entsorgt wurde und das Fahrzeug des Geschädigten lediglich mit einem roten Kennzeichen versehen war, das nur zu Prüfungs-, Probe- und Überführungsfahrten hätte verwendet werden dürfen. Insgesamt ging das Gericht daher von einem vorsätzlich herbeigeführten Unfall aus.

Hinweis: Die Entscheidung des Gerichts entspricht obergerichtlicher Rechtsprechung, wonach anhand einer lebensnahen Gesamtschau von Indizien auf ein abgesprochenes Zusammenwirken zwischen den Unfallbeteiligten geschlossen werden darf. Obwohl der Unfallhergang zwischen den Unfallbeteiligten unstreitig war, widerlegte das eingeholte Sachverständigengutachten mehr als deutlich die Behauptung des Geschädigten, er sei mit 60 km/h im Kreisverkehr gefahren.

Quelle: OLG München, Urt. v. 07.07.2017 – 10 U 4341/16

Thema: Verkehrsrecht