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Schlagwort: Wissenschaft

Kinderschrei kein Arbeitsunfall: Das Minilärmtrauma einer Kindererzieherin zieht keine bleibenden Hörschäden nach sich

Die Möglichkeiten, sich bei der Arbeit zu verletzen, sind vielfältig. Die Frage ist nur immer, ob die Verletzung auch tatsächlich von der zuständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt wird.

Eine Erzieherin in einem Kinderheim meinte, einen Arbeitsunfall erlitten zu haben: Ein Kind hatte ihr ins Ohr geschrien und seitdem behauptete sie, Ohrgeräusche zu haben. Deshalb verlangte sie von der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen die Kosten der Versorgung mit einem „Tinnitus-Masker“, ein Gerät, das von den Ohrgeräuschen ablenken soll.

Die Richter des Sozialgerichts meinten aber, ein Arbeitsunfall würde nicht vorliegen. In der Wissenschaft sei anerkannt, dass es selbst bei durch menschliche Schreie erreichbaren Spitzenschallpegeln von mehr als 130 dB allein zu Minilärmtraumata kommen kann, die mit vorübergehenden und ganz geringen Hörminderungen einhergehen. Bleibende Hörschäden sind jedoch nicht zu erwarten.

Hinweis: Die Richter glaubten der Erzieherin also nicht, dass ihre Tinnituserkrankung an dem Kindergeschrei gelegen hat. Deswegen nahmen sie auch keinen Arbeitsunfall an. 
  
 Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 22.01.2018 – S 17 U 1041/16

Thema: Sonstiges

Grenz(wert)fälle: Das Alkoholverbot für Fahranfänger ist nicht so „absolut“, wie es sich nennt

Wie absolut das sogenannte absolute Alkoholverbot für Fahranfänger in der Realität bemessen werden kann, musste das Kammergericht Berlin (KG) vor kurzem erneut bewerten.

Ein 20 Jahre alter Fahrzeugführer, der sich noch in der Probezeit befand, geriet in eine Polizeikontrolle. Auf die Frage, ob er Alkohol konsumiert habe, antwortete er, dass er in der Nacht zuvor Alkohol getrunken habe. Daraufhin erfolgte ein Atemalkoholtest, der einen Wert von 0,05 mg/l ergab. Der Betroffene wurde wegen des Verstoßes gegen das allgemein geltende Alkoholverbot für Fahranfänger zu einer Geldbuße von 500 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt.

Das KG hat den Betroffenen auf dessen Beschwerde hin jedoch freigesprochen. Denn wo die pure Wortinterpretation Recht zu haben scheint, widerspricht die Wissenschaft und auch das Gericht. Denn dieses nimmt aufgrund entsprechender Expertenmeinungen ein Einsetzen der alkoholischen Wirkung im menschlichen Organismus erst ab einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 ‰ oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,1 mg/l an. Die hatte der Betroffene mit der gemessenen Atemalkoholkonzentration von 0,05 mg/l aber nicht erreicht.

In seiner Begründung bezieht sich der Senat zudem darauf, dass nach derzeitigem Stand der Wissenschaft Grenzwerte von 0,0 ‰ bzw. 0,0 mg/l, die das Einhalten des „absoluten“ Alkoholverbots belegen würden, nicht bestimmbar sind. Aus diesem Grund hatte die Alkoholkommission zum Alkoholverbot für Fahranfänger einst auch die tatsächlich messbaren Grenzwerte von 0,2 ‰ bzw. 0,1 mg/l empfohlen. Letztendlich folgt der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung damit der wissenschaftlichen Ansicht, dass eine Alkoholwirkung unterhalb von 0,2 ‰ bzw. 0,1 mg/l sowohl aus messtechnischen als auch aus medizinischen Gründen grundsätzlich ausscheidet.

Hinweis: Vorsicht – ab welchem Grenzwert eine Alkoholwirkung festzustellen ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt! Wie das KG haben auch das Amtsgericht (AG) Langenfeld und das AG Biberbach entschieden. Demgegenüber hat das AG Herne einen Betroffenen freigesprochen, bei dem ein Atemalkoholwert von 0,13 mg/l festgestellt wurde. Diese Entscheidung beruht allerdings auf Angaben eines von dem Gericht angehörten Sachverständigen, der den Grenzwert für das Einsetzen der alkoholischen Wirkung erst bei 0,26 ‰ annahm.

Quelle: KG, Beschl. v. 15.02.2016 – 3 Ws (B) 538/15 – 122 Ss 142/15 
Thema: Verkehrsrecht