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Schlagwort: Zeugnisverweigerungsrecht

Belehrungsgebot missachtet: Entziehung der Fahrerlaubnis ist bei mangelnder Belehrung des Beschuldigten unzulässig

Hobbykriminologen raufen sich beim altbewährten Sonntagskrimi oft die Haare, wenn Abläufe ignoriert werden, die für hand- und vor allem gerichtsfeste Ermittlungsergebnisse unverzichtbar sind. Wenn Erkenntnisse auf einem nicht zulässigen Weg ermittelt worden sind, gibt es sie auch nicht – egal wie offensichtlich sie auch scheinen. Dass eine ordnungsgemäße Abfolge vorgeschriebener Vorgehensweisen nicht nur im Strafrecht, sondern in allen Rechtsgebieten die Grundlage für eine gesetzeskonforme Rechtsverfolgung ist, zeigt der folgende Fall des Landgerichts Fürth (LG), das hier einen Verkehrsverstoß zu verhandeln hatte.

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Scheidung der Vermieter: Dreijährige Kündigungssperre bei Eigenbedarfskündigung entfällt bei innerfamilärem Eigentumswechsel

Trennen sich Ehegatten, wird in aller Regel neuer Wohnraum benötigt. Haben sie Grundbesitz, der aber vermietet ist, kann verständliches Interesse daran bestehen, dem Mieter zu kündigen, um die Fläche selbst zu nutzen. Dabei können sich besondere Fragen ergeben. Der Bundesgerichtshof (BGH) war deshalb damit beschäftigt, den Begriff der Familienzugehörigkeit klarzustellen, der vermieterseitig bei Eigenbedarfskündigungen Besonderheiten innehält.

Ein Ehepaar bewohnte seit Juli 2001 ein gemietetes Haus, dessen Vermieter es im September 2015 an seinen Sohn und dessen Frau verkaufte. Die beiden neuen Eigentümer lebten zwar bereits seit 2013 getrennt, wurden dann aber erst im Juli 2016 geschieden. Im Mai 2016 kündigten sie den in dem Haus lebenden Mietern zum Ende Februar 2018 und machten Eigenbedarf geltend. Die geschiedene Frau wolle nun mit den gemeinsamen Kindern und ihrem neuen Lebenspartner in das Haus ziehen, vor allem auch, weil es die Kinder dann deutlich näher zu ihrer Schule hätten.

Der Eigenbedarf sei zwar auch aus Mietersicht nicht zu beanstanden, doch beide machten geltend, dass ihnen wegen der Übertragung der Immobilie durch den ehemaligen Vermieter auf den Sohn und dessen (mittlerweile geschiedene) Frau eine dreijährige Kündigungssperre zur Eigenbedarfskündigung zustünde. Dagegen wandten die jetzigen Vermieter ein, dass diese Frist nur im Normalfall gelte. Da es sich hier aber um dieselbe Familie handelte, innerhalb derer die Immobile im Eigentum wechselte, entfalte diese Sperre keine Geltung. Doch dagegen – man ahnt es – warfen die gekündigten Mieter ins Feld, dass dies nach der Scheidung von der Frau nicht mehr der Fall sei.

Falsch, so der BGH. Bei der Familienzugehörigkeit verhält es sich nämlich wie beim Zeugnisverweigerungsrecht in Prozessen. Wenn es einmal besteht, geht es nicht mehr verloren – nicht durch Trennung und auch nicht durch Scheidung. Wegen der damals bestehenden Ehe gehörten sowohl die aktuelle Vermieterin als auch der ehemalige Vermieter zur selben Familie. Deshalb bestand auch kein dreijähriger Kündigungsschutz nach der Veräußerung. Die Mieter mussten gehen, wobei der BGH ihnen eine Räumungsfrist bis Ende 2021 einräumte.

Hinweis: Der Fall zeigt, wie diffizil es auch dann werden kann, wenn bei den sich trennenden Ehegatten selbst eine seltene Einigkeit besteht.

Quelle: BGH, Urt. v. 02.09.2020 – VIII ZR 35/19

Thema: Familienrecht

Zeugnisverweigerungsrecht: Das Recht auf Entbindung von der anwaltlichen Schweigepflicht geht nicht auf die Erben über

Häufig sind handschriftlich verfasste Testamente nicht ganz klar oder aus juristischer Sicht nicht eindeutig formuliert, so dass sie ausgelegt werden müssen, um den mutmaßlichen Willen des Erblassers zu ermitteln. Bei der Ermittlung könnten dann häufig Ärzte oder Rechtsanwälte helfen, die den Erblasser betreut haben. Wie in solchen Fällen mit deren Schweigepflicht umzugehen ist, war die elementare Frage des folgenden Falls vom Oberlandesgericht München (OLG).

Ein Mann hatte sich von einem Rechtsanwalt zunächst beraten lassen, dann aber sein Testament selbst handschriftlich verfasst. Nach seinem Tod stritten die Erben darüber, ob eine der Verfügungen im Testament über ein Grundstück ein Vorausvermächtnis oder eine Teilungsanordnung darstellte. Eine der Beteiligten wollte daraufhin den Rechtsanwalt als Zeugen in dem Verfahren laden, was dieser jedoch unter Verweis auf die anwaltliche Schweigepflicht ablehnte. Das wollte die Frau nicht akzeptieren und trug dagegen vor, dass es dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspräche, dass sein bisheriger Rechtsbeistand Auskunft über seinen Erblasserwillen erteilt. Der Rechtsanwalt kann sich daher nicht auf seine anwaltliche Schweigepflicht berufen und das Zeugnis verweigern.

Das OLG wies zunächst darauf hin, dass Erben nicht über die Entbindung von der Schweigepflicht entscheiden können. Die Pflicht zur Verschwiegenheit dient dem Schutz der Geheimsphäre des Einzelnen und kann daher grundsätzlich nur durch denjenigen aufgehoben werden, zu dessen Gunsten sie besteht. Der Rechtsanwalt muss nach dem Tod seines Mandanten nach pflichtgemäßem Ermessen selbst darüber entscheiden, ob er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht oder aussagt und damit Vertrauliches offenbart, was dem (mutmaßlichen) Willen des ehemaligen Mandanten entspricht. Im Fall einer Zeugnisverweigerung muss er jedoch angeben, worauf er diese stützt. Er kann seine Entscheidung nicht nur mit allgemeinen Erwägungen begründen. Da der Anwalt in diesem Fall keine Gründe für seine Verweigerung angegeben hatte, stand ihm auch kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zu.

Hinweis: Die anwaltliche Schweigepflicht umfasst alles, was Rechtsanwälten im Rahmen eines Mandatsverhältnisses anvertraut wurde. Anvertraut sind nicht nur Tatsachen, bei denen der Wunsch nach Vertraulichkeit ausdrücklich ausgesprochen wird; es genügt auch das stillschweigende Verlangen nach Geheimhaltung. Das Zeugnisverweigerungsrecht betrifft nicht nur schriftliche oder mündliche Mitteilungen, es erstreckt sich auch auf alle sonstigen Umstände, die der Rechtsanwalt aufgrund und im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erfährt. Das Zeugnisverweigerungsrecht wirkt grundsätzlich über den Tod der Mandanten hinaus.

Quelle: OLG München, Urt. v. 24.10.2018 – 13 U 1223/15

Thema: Erbrecht