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1. Februar 2016
Trotz Ausnahmesituation: Auf die versuchte Tötung der todkranken Gattin kann Erbunwürdigkeit folgen

Ein durch Testament oder gesetzliche Erbfolge bestimmter Erbe kann sein Erbe aufgrund seiner Erbunwürdigkeit verlieren.

Erbunwürdig ist nach dem Gesetz zum Beispiel, wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich tötet oder zu töten versucht. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Erblasser dem Erben spätestens auf dem Totenbett verzeiht. Ein solches „Verzeihen“ wird auch bei einer Tötung auf Verlangen angenommen. Eine Frau litt seit langem an Alzheimer, war nicht mehr ansprechbar und befand sich seit Jahren in einem Pflegeheim, in dem sie durch eine Magensonde künstlich ernährt wurde. Ihr Ehemann litt sehr unter der Situation, wurde depressiv und versuchte (vergeblich), sich das Leben zu nehmen. Schließlich schnitt der Ehemann den Schlauch zur Magensonde seiner Ehefrau durch, um ihr Leiden zu beenden. Das Pflegepersonal konnte den Tod der Frau zwar verhindern, sie verstarb jedoch kurze Zeit später an einer Lungenentzündung. Der Ehemann wurde schließlich wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Gleichzeitig wurde er auch Alleinerbe seiner verstorbenen Frau, da die Eheleute dies bereits vor Jahren in einem
gemeinsamen Testament niedergelegt hatten. Der Sohn der Eheleute hielt seinen Vater jedoch für erbunwürdig und erhob Klage.

Für das Gericht stellte sich die Frage, ob der Ehemann im Sinne seiner Frau gehandelt hatte und damit doch erbwürdig war. Dem stand jedoch entgegen, dass es keine Patientenverfügung der Ehefrau gab und sie ihren Wunsch, zu sterben, auch nicht mehr habe äußern können (und damit auch keine Tötung auf Verlangen vorlag). Das Gericht erkannte die schwierige persönliche Situation und die verständlichen Motive des Ehemannes an – wies jedoch darauf hin, dass selbst dann von einer Erbunwürdigkeit auszugehen sei, wenn der Ehemann aus anerkennenswerten Motiven gehandelt habe. Erbunwürdigkeit
setzt jedoch zwingend die Schuldfähigkeit des Handelnden voraus, die im Fall des Ehemannes noch gerichtlich festgestellt werden muss. Zu diesem Zweck wies der Bundesgerichtshof den Fall an das Berufungsgericht zurück.

Hinweis: Dieser tragische Fall zeigt, wie wichtig es ist, rechtzeitig eine Patientenverfügung zu verfassen. Diese dient nicht nur dazu, abzusichern, dass den eigenen Wünschen entsprochen wird; sie kann auch verhindern, dass nahe Angehörige sich strafbar machen oder das Erbe verlieren.

Quelle: BGH, Urt. v. 11.03.2015 – IV ZR 400/14

zum Thema: Erbrecht