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5. November 2017
Verjährung des Pflichtteilsanspruchs: Eine Stundungsvereinbarung verhindert die Verjährung

Engen Verwandten, die im Testament nicht bedacht werden, steht ein Pflichtteil zu. Häufig ist die Auszahlung des Pflichtteils für den Erben jedoch mit finanziellen Schwierigkeiten verbunden – etwa wenn er Immobilien verkaufen muss, um den Pflichtteil auszubezahlen. Daher werden von den Beteiligten in solchen Fällen häufig Absprachen über eine Ratenzahlung oder einen Aufschub der Zahlung getroffen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, da der Pflichtteilsanspruch innerhalb von drei Jahren verjährt.

Eine Frau hatte eine Tochter und einen Sohn, der bereits verstorben war. Sie setzte in ihrem Testament ihre Tochter als Alleinerbin ein. Die Tochter des Sohns machte als Enkelin der Erblasserin daraufhin den Pflichtteil aus dem Erbteil ihres Vaters geltend. Ihre Tante bat als Tochter der Erblasserin jedoch, davon abzusehen, da sie sonst die Eigentumswohnung, in der sie lebte, verkauften müsse. Sie sicherte ihrer Nichte zu, dass diese nach ihrem Tod sowieso alles erben würde, was auch in einem Brief festgehalten war. Die Nichte stimmte diesem Vorgehen zu. 13 Jahre nach dem Tod der Großmutter wollte sie dann aber doch ihren Pflichtteil geltend machen und verlangte Auskunft über den entsprechenden Nachlass. Die Tante lehnte dies jedoch ab und trug vor, dass der Anspruch verjährt sei.

Das Gericht sah dies jedoch anders. Es ging davon aus, dass die Vereinbarung zwischen Tante und Nichte rechtlich eine Stundungsvereinbarung über den Pflichtteil darstellt und nicht etwa einen Verzicht. Die Stundung einer Forderung hemmt gleichzeitig auch die Verjährung. Somit war weder der Auskunfts- noch der Auszahlungsanspruch nach Auffassung des Gerichts verjährt.

Hinweis: Grundsätzlich muss der Erbe den Pflichtteil sofort auszahlen. In der Praxis kommt es jedoch häufig zu Verzögerungen, etwa weil der Erbe keine genaue Auskunft über den Wert des Nachlasses gibt oder einzelne Nachlassgegenstände erst bewertet werden müssen. Sofern sich die Parteien einig sind, gibt es mehrere Möglichkeiten, während dieser Zeit die Verjährung des Anspruchs zu verhindern (z.B. eine Vereinbarung zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung oder eine Stundung). Kann jedoch keine Einigung erzielt werden, kann der Pflichtteilsberechtigte die Verjährung dadurch verhindern, dass er Klage erhebt. Der Erbe wiederum kann nicht einseitig die Auszahlung des Pflichtteils verweigern oder verzögern. Nur in Ausnahmefällen, in denen die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs für den Erben eine unbillige Härte darstellen würde, kann er beim Nachlassgericht die Stundung des Anspruchs beantragen.
 

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.10.2015 – 9 U 149/14

Thema: Erbrecht