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15. Juli 2017
Vor- und Nacherbschaft: Die Formulierung „derzeit“ stellt bei unbekannten Erben ein entscheidendes Detail dar

Die Bestimmung einer Vor- und Nacherbschaft ist ein wichtiges Instrument, um die Erbmasse für spätere Generationen zu bewahren. Da der Vorerbe dadurch jedoch einigen Beschränkungen unterliegt, kann eine solche Regelung immer wieder zu Streit und Schwierigkeiten führen.

Eine Frau bestimmte in einem notariellen Testament ihre Nichte zur Alleinerbin, legte jedoch gleichzeitig fest, dass sie „jedoch nur Vorerbin sein [soll]. Zu Nacherben bestimme ich ihre Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Anteilen. Dies sind derzeit: …“. Nach dem Tod der Frau wollte die Nichte eine geerbte Wohnung verkaufen. Dem Verkauf stimmten auch ihre Kinder als Nacherben zu. Das Grundbuchamt verlangte jedoch auch die Zustimmung der noch unbekannten Erben, die durch die Bestellung eines Ergänzungspflegers gewährleistet werden sollte. Die Nichte war jedoch der Ansicht, dass dies unnötig sei, da sie keine weiteren Kinder bekommen würde und somit alle Erben bekannt seien.

 

Das Gericht sah dies anders. Es ging davon aus, dass es aufgrund der gewählten Formulierung „derzeit“ der Wille der Erblasserin war, auch zukünftige Abkömmlinge der Erbin als Nacherben einzusetzen. Andernfalls hätte sie die Betroffenen auch direkt benennen können. Der Begriff „Abkömmling“ umfasst zudem nicht nur leibliche, sondern auch adoptierte Kinder, weswegen der Kreis der in Betracht kommenden Nacherben erst im Zeitpunkt des Nacherbfalls feststellbar ist.

Hinweis: Die präzise Formulierung eines Testaments kann also entscheidend dafür sein, wer genau Erbe wird. Je nachdem, welche Rechtsfolgen gewünscht werden, gibt es zudem verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung einer letztwilligen Verfügung. Bei der Vor- und Nacherbschaft kann der Vorerbe nicht frei über das Vermögen verfügen und daher etwa keine Grundstücke veräußern oder Schenkungen vornehmen. Möglich ist es aber auch, eine sogenannte „befreite Vorerbschaft“ anzuordnen oder dem Erstbedachten nur den Nießbrauch am Nachlass einzuräumen, während der Endbedachte als Erbe eingesetzt wird.

Quelle: OLG München, Beschl. v. 24.04.2017 – 31 Wx 463/16

zum Thema: Erbrecht