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29. August 2017
Zähes Sorgerechtsverfahren: Beschleunigungsbeschwerde des Vaters scheitert wegen mangelnder Entscheidungsreife

Kindschaftssachen sind bei Gericht vorrangig und beschleunigt durchzuführen. Andernfalls kann eine sogenannte Beschleunigungsrüge erhoben werden. Aber was heißt denn überhaupt „vorrangig und beschleunigt“?

Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatte über genau diese Frage zu entscheiden: In einer kaum mehr zu überblickenden Anzahl von Verfahren stritten die verheirateten Eltern in nahezu jeglicher Hinsicht miteinander vor Gericht. Eine Fülle von Verfahren betraf dabei die Frage nach dem Umgang und der elterlichen Sorge hinsichtlich der zwei minderjährigen Kinder. Beide lebten bei der Mutter, und diese warf den Verwandten des Mannes – nicht ihm – den sexuellen Missbrauch der Kinder vor. Viele Details machten hierbei die ganze Sache zusätzlich heikel: So hatten die Ehegatten beispielsweise nach der Trennung und während der laufenden Verfahren sexuellen Kontakt, bei dem die Frau schwanger wurde, ferner versteckte die Mutter bei einem Besuch einen Spionagestick in der Hose eines der Kinder, lehnte im gerichtlichen Verfahren erfolglos einen Sachverständigen ab und wechselte zudem irgendwann ihren Anwalt. So zog sich der Fall entsprechend hin.

Das OLG wies jedoch die vom Kindesvater eingelegte Beschleunigungsrüge zurück. Es gibt im Gesetz keine Frist, innerhalb derer in Kindschaftssachen eine Entscheidung ergangen sein muss. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nimmt zum Beispiel bei einer Verfahrensdauer von vier Jahren und zehn Monaten einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot an, das Bundesverfassungsgericht bereits nach 17 Monaten. Es kommt also auf den Einzelfall an und dabei – und dies unterstreicht nun das OLG besonders – darauf, ob die Verzögerung auf ein Verhalten des Gerichts oder der Beteiligten zurückzuführen sei. Da es vorliegend vor allem die Kindesmutter war, die mit erheblichen Vorwürfen und ihrem Verhalten dafür sorgte, dass das Gericht noch nicht entscheiden konnte, hatte die Rüge des Vaters nach einer Verfahrensdauer von etwas mehr als einem Jahr keinen Erfolg.

Hinweis: Das OLG hat dem Mann in seiner Entscheidung vorgeworfen, sich zu wenig um den Erlass einer einstweiligen Anordnung gekümmert zu haben. Die rechtlich relevanten Schritte zu gehen, bedarf der anwaltschaftlichen Unterstützung.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.03.2017 – 17 WF 31/17

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