174 Verkehrsordnungswidrigkeiten: Entzug der Fahrerlaubnis auch nach Bagatellverstößen möglich
Bagatellen sind nur als solche anzusehen, wenn sie selten und vereinzelt auftauchen. Häufen sich Kleinigkeiten, kann aus deren Summe ganz schnell etwas Großes werden – so auch für scheinbar leidenschaftliche Parkverstoßer, wie das folgende Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (VG) zeigt. Denn wer nicht willens scheint, sich an einfache Regeln des verkehrsrechtlichen Miteinanders zu halten, muss zu Recht seine Kraftfahreignung in Zweifel ziehen lassen.
Der Kläger war seit 1995 Inhaber einer Fahrerlaubnis. Im Juli 2021 erfuhr das Landesamt, dass gegen den Kläger innerhalb eines Jahres 174 Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren geführt worden waren – darunter 159 Parkverstöße und 15 Geschwindigkeitsüberschreitungen. Nach Anhörung des Manns entzog die Behörde ihm daher die Fahrerlaubnis aufgrund fehlender Kraftfahreignung. Hiergegen wandte der Kläger ein, die Verstöße mit den drei auf ihn zugelassenen Fahrzeugen hätten andere Personen begangen. Gegen die Entscheidungen habe er lediglich keine Rechtsmittel eingelegt, um der Behörde Arbeit zu ersparen.
Diese plötzliche Rücksichtnahme konnte das VG dennoch nicht daran hindern, die Klage abzuweisen. Zu Recht ist die Behörde von einer mangelnden Fahreignung des Klägers ausgegangen. Zwar hätten dem Bagatellbereich zuzurechnende Verkehrsordnungswidrigkeiten bei der Prüfung der Fahreignung grundsätzlich außer Betracht zu bleiben – anders ist dies aber, wenn ein Kraftfahrer offensichtlich nicht willens ist, im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffene bloße Ordnungsvorschriften zu beachten. Hier begründet bereits die Anzahl der – für sich genommen unbedeutenden – Verstöße, die nahezu ausnahmslos im Wohnumfeld begangen worden seien, Zweifel an der Eignung des Klägers.
Hinweis: Es kommt auch nicht darauf an, ob möglicherweise andere Familienangehörige für die Verstöße verantwortlich waren. Denn derjenige, der durch zahlreiche ihm zugehende Bußgeldbescheide erfährt, dass Personen, die sein Fahrzeug benutzten, laufend gegen Verkehrsvorschriften verstoßen, und dagegen nichts unternimmt, zeigt hierdurch charakterliche Mängel, die ihn selbst als einen ungeeigneten Verkehrsteilnehmer ausweisen.
Quelle: VG Berlin, Urt. v. 28.10.2022 – VG 4 K 456/21