40 Jahre alte Kindesentführung: Damaliges Opfer wehrt sich erfolgreich gegen filmische Verwendung von Fotos und Brief
Eine Straftat wie die hier betreffende Kindesentführung gehört zum sogenannten Zeitgeschehen, und das bedeutet, dass Medien die Aufgabe zukommt, dieses Verbrechen der Öffentlichkeit darzulegen. Wo aber liegt hier die Grenze? Ist es zulässig, auch noch über 40 Jahre später die damaligen Opfer mit Bildnissen in sehr persönlicher Weise in ihrer Opferrolle darzustellen? Diese Frage ging bis vor den Bundesgerichtshof (BGH), und wie dieser antwortete, lesen Sie hier.
Eine Frau war im Jahr 1981 als Achtjährige entführt und etwa fünf Monate später nach Zahlung eines Lösegelds freigelassen worden. Der Journalist T. hatte damals zwischen deren Eltern und den Entführern vermittelt. Eine Rundfunkanstalt sendete in ihrem Programm den Filmbeitrag „Entführte Kinder – Die Fälle K. und v. G“ und hielt diesen im Internet zum Abruf bereit. Im Mittelpunkt des Beitrags stand der Journalist T., der erstmals öffentlich seine Erinnerungen an diese und an eine andere Kindesentführung schilderte. Im Filmbeitrag wurden zwei Fotos des Opfers gezeigt, die einige Wochen vor der Entführung gemacht und den Ermittlungsbehörden übergeben worden waren. Sie dienten während der Entführung, die nicht aufgeklärt werden konnte und mittlerweile verjährt ist, zur öffentlichen Suche. Auf einem weiteren im Filmbeitrag gezeigten Bild war das Mädchen gemeinsam mit seiner Mutter auf der Titelseite einer Illustrierten zu sehen. Dieses Foto war nach der Freilassung des Kindes aufgenommen worden. Zudem wurden ein von dem Kind während ihrer Entführung geschriebener Brief und der Audiomitschnitt eines ebenfalls während der Entführung geführten Telefongesprächs wiedergegeben. Das damals entführte Kind – heute eine erwachsene Frau – verlangte nun von der Rundfunkanstalt die Unterlassung von Teilen der Filmberichterstattung, insbesondere die Wiedergabe von drei Lichtbildern, des Briefs und des Audiomitschnitts.
Der BGH gab der Klage der Frau statt. Eine solche Straftat gehöre zwar durchaus zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien sei. Dennoch überwiegen die schutzwürdigen Interessen der Medien nicht diejenigen der damaligen Opfer, wenn es denen um den Schutz davor geht, dass ihre Bildnisse Jahrzehnte nach der Entführung dazu verwendet werden, sie in sehr persönlicher Weise in ihrer Opferrolle darzustellen.
Hinweis: Medien haben eine besondere Verantwortung, insbesondere gegenüber den Opfern einer Straftat. Das wird gelegentlich vergessen.
Quelle: BGH, Urt. v. 06.06.2023 – VI ZR 309/22