Angemessenes Risiko: Verunfallt ein Polizeifahrzeug bei Verfolgung, kann Flüchtender zur Haftung gezogen werden
Der folgende Fall des Landgerichts Frankenthal (LG) hat es in sich. Denn hier stand die Frage im Raum, ob ein vor einer Fahrzeugkontrolle Flüchtender für Unfallfolgen haften muss, die auf den ersten Blick die polizeilichen Verfolger verursacht haben. Und wie es eben so ist, für die Gesamtbetrachtung stellt das Gericht vor der Beantwortung die Gegenfrage in den Raum, ob die Fahrweise der Polizei als unangemessen zu betrachten war.
Statt den Anweisungen der Polizei zum Zweck einer Fahrzeugkontrolle Folge zu leisten, trat ein Autofahrer auf der Autobahn aufs Gaspedal und flüchtete. Er verließ schließlich die Autobahn und fuhr über Bundes- und Kreisstraßen, während die Polizei ihm folgte. Und eben die entdeckte den Flüchtenden schließlich auf einem Parkplatz, auf den sie auch prompt auffahren wollte. Dabei geriet das Polizeifahrzeug jedoch aufgrund des Bremsmanövers ins Schlingern und prallte gegen eine Leitplanke. Die Polizeibehörde forderte nun Schadensersatz von dem Geflohenen. Dieser verweigerte die Zahlung jedoch mit dem Hinweis, es habe ein Fahrfehler der Polizei vorgelegen, schließlich habe er selbst schon auf dem Parkplatz gestanden.
Das LG gab hingegen der Behörde Recht. Nach Ansicht des Gerichts haftet der verfolgte Autofahrer nur dann nicht für einen derart entstandenen Schaden, wenn die Fahrweise der Polizei völlig unangemessen gewesen sei. Das aber war hier nicht der Fall gewesen. Vielmehr seien die lange Verfolgungsfahrt und auch das starke Bremsmanöver, das zum Schlingern des Polizeifahrzeugs führte, auf die von dem Verfolgten geschaffene Situation zurückzuführen. Um den Flüchtenden zu ergreifen, habe der Polizeibeamte beim Bremsen ein gewisses Risiko eingehen müssen.
Hinweis: Wer eine Verfolgung durch die Polizei heraufbeschwört, kann sich nicht auf ein Verschulden des anderen berufen. Die Grenze der Zurechnung ist erst dann überschritten, wenn sich die Verfolger in gänzlich unangemessener Weise einer Gefahr aussetzen. Hier waren sowohl die Verfolgung als auch das harte Bremsmanöver geboten, nachdem der Flüchtende auf dem Parkplatz entdeckt worden war.
Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 24.05.2023 – 1 O 50/22