Bei drohendem Haftungsausschluss: Anwaltlicher Vertretung darf beim Abfindungsvergleich ein Ermessensspielraum eingeräumt werden
Wer sich zwischen einem Verfahren und einem Abfindungsvergleich entscheiden muss, sollte wissen, dass Letzterer den Ausschluss sämtlicher weiterer Forderungen beinhaltet. Dass es dabei wichtig ist, seinem rechtlichen Beistand und dessen Fachkenntnis zu vertrauen, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).
Eine Frau war bei einem Verkehrsunfall verletzt worden. Ein Arzt operierte sie deshalb, obwohl keine entsprechende medizinische Indikation vorlag. Deshalb ging die Frau zu ihrer Rechtsanwältin, um Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend zu machen. Die Rechtsanwältin führte mit der Haftpflichtversicherung des Arztes Gespräche, und letztendlich unterschrieb sie eine Abfindungserklärung im Namen der Geschädigten. Diese erhielt also Geld, musste dafür aber auf weitere Ansprüche verzichten. Damit wiederum war die verletzte Frau im Nachhinein nicht einverstanden. Bei einer ihrer Ansicht nach korrekten Aufklärung hätte sie dem Vergleich nicht zugestimmt – es wäre ein wesentlich höherer Anspruch möglich gewesen. Deshalb verklagte sie ihre Rechtsanwältin, allerdings ohne Erfolg.
Das OLG bestätigte zwar, dass Rechtsanwälte ihre Mandanten vor Abschluss eines Abfindungsvergleichs über dessen Bedeutung und Inhalt umfassend belehren müssen. Doch das war hier nach Ansicht der Richter geschehen: Es bestand hier nämlich durchaus die reale Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung des in Anspruch genommenen Arztes wegen dessen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls vollständig die Regulierung hätte ablehnen können. Dieser Umstand sprach dafür, der Mandantin zum Abschluss des Vergleichs zu raten. Sonst hätte diese vielleicht gar nichts erhalten. Deshalb hatte die Rechtsanwältin keine Pflichtverletzung begangen und ihre Mandantin über die Tragweite des Abfindungsvergleichs hinreichend aufgeklärt.
Hinweis: Betroffene sollten grundsätzlich dem Rat des Anwalts ihres Vertrauens folgen. Daneben schadet es natürlich nicht, sich auch selbst Gedanken zu machen. Und zeitlich unter Druck sollten sich Mandanten niemals setzen lassen.
Quelle: OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.12.2019 – 8 U 129/18