Europäisches Nachlasszeugnis: Grundbuchberichtigung ohne Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft
Nach deutschem Recht findet ohne eine vorherige Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft kein direkter Eigentumsübergang von einzelnen Nachlassgegenständen auf einen Miterben statt. Anders ist dies nach italienischem Recht. Ist dort Gegenstand eines Vermächtnisses das Eigentum an einer bestimmten Sache, geht das Eigentum mit dem Tod des Erblassers auf den Vermächtnisnehmer über, ohne dass es hierzu einer Annahmeerklärung des Begünstigten bedarf. So sah es auch das Berliner Kammergericht (KG) im folgenden Fall.
Die Erblasserin war deutsche Staatsangehörige und hatte bis zu ihrem Tod ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien. Der nach italienischem Recht Begünstigte an einem Grundstück der Erblasserin in Deutschland hatte sich ein europäisches Nachlasszeugnis ausstellen lassen und unter Vorlage dieses Dokuments die Berichtigung des Grundbuchs beantragt. Das Grundbuchamt hatte sich zunächst geweigert, die Berichtigung vorzunehmen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde war vor dem KG erfolgreich. Nach der gesetzlichen Regelung der europäischen Erbrechtsverordnung wird vermutet, dass das europäische Nachlasszeugnis die dort angegebenen Sachverhalte zutreffend ausweist. Auch wenn dem deutschen Recht der direkte Übergang des Eigentums an einzelnen Nachlassgegenständen auf einen von mehreren Erben ohne Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht bekannt ist: Maßstab für die Grundbuchberichtigung ist der Inhalt des europäischen Nachlasszeugnisses auf Basis des italienischen Rechts.
Hinweis: Das europäische Nachlasszeugnis kann beim Nachlassgericht oder bei einem Notar beantragt werden. Das Nachlasszeugnis kann – anders als ein Erbschein – auch von einem Vermächtnisnehmer oder einem Testamentsvollstrecker beantragt werden.
Quelle: KG, Beschl. v. 22.09.2022 – 1 W 348/22