Fortsetzung nicht zumutbar: Veröffentlichtes Video mit „Impfung macht frei“ führt zur Kündigung eines Lehrers
Bei der Verharmlosung des Holocausts kennen die meisten Arbeitgeber kein Pardon. Vor allem öffentliche Arbeitgeber sehen sich in der Pflicht, Umtriebe ihrer Beschäftigten dahingehend im Auge zu behalten – und im Ernstfall empflindlich zu ahnden. Auch der Lehrer dieses Falls wird gewusst haben, welche Konsequenzen ihm drohen. Dass das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) Verfahrensfehler bei der Kündigung festgestellt hat, änderte final nichts an der Tatsache, dass dem Land Berlin die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar war.
Ein beim Land Berlin angestellter Lehrer war mit der Corona-Politik der Bundesregierung im Jahr 2021 nicht einverstanden und veröffentlichte auf YouTube ein Video, das mit der Darstellung des Tors eines Konzentrationslagers begann. Der Originalschriftzug des Tors „Arbeit macht frei“ war durch den Text „Impfung macht frei“ ersetzt. Das Land kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß. Es war der Auffassung, der Lehrer setze in dem Video das staatliche Werben um die Impfbereitschaft in der Pandemie mit der Unrechtsherrschaft und dem System der Konzentrationslager gleich. Das komme einer Verharmlosung der Unrechtstaten der Nationalsozialisten gleich und missachte die Opfer. Da das Land Berlin eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Lehrer nicht mehr erkennen konnte, beantragte es zudem für den Fall der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung nach Maßgabe der §§ 9 und 10 Kündigungsschutzgesetz aufzulösen. Der Lehrer sah dagegen keinen Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis und klagte gegen die Kündigung.
Auch das LAG meinte, dass die Kündigung unwirksam war. Denn das Land Berlin hatte einen schwerwiegenden Verfahrensfehler gemacht. Es hatte dem Personalrat nur einen Screenshot des Eingangsbilds des Videos als Kündigungsgrund genannt – daher konnte es sich im Verfahren auch nur darauf berufen. Somit war eine Überschreitung des Grundrechts auf Meinungsäußerung nicht eindeutig festzustellen. Trotzdem war dem Land Berlin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen der Äußerungen im Video nicht zuzumuten. Daher wurde das Arbeitsverhältnis dennoch zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.03.2022 gegen Zahlung einer Abfindung von 72.000 EUR aufgelöst.
Hinweis: Jegliche Verharmlosung von Taten der Nazidiktatur können bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst zur Beendigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses führen. Das ist seit langem bekannt – und alle Beschäftigten, ob verbeamtet oder nicht, sollten sich daran halten.
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.06.2023 – 10 Sa 1143/22