Gutachten verlangt: Strafgerichtliches Urteil zur Fahreignung entfaltet keine Bindungswirkung für Fahrerlaubnisbehörde
Wird im Strafverfahren die Fahreignung nicht eigenständig geprüft und bejaht, hat ein Gericht keine Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis. Ob ein derartiges strafgerichtliches Urteil für die Fahrerlaubnisbehörde zur Frage der Fahreignung keine Bindungswirkung entfaltet und sie dennoch ein medizinisch-psychologisches Gutachten verlangen darf, musste das Verwaltungsgericht Koblenz (VG) im folgenden Fall bewerten.
Die Antragstellerin wurde nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,83 ‰ wegen Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt. Im amtsgerichtlichen Urteil wurde zudem die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet. Das Landgericht stellte daraufhin im Rechtsmittelverfahren fest, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis entfalle, da es die Ungeeignetheit der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen zum Zeitpunkt der Urteilsfindung nicht (mehr!) habe feststellen können. Das in der Folge von der Fahrerlaubnisbehörde angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten legte die Antragstellerin nicht vor. Als die Fahrerlaubnisbehörde die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnete, stellte die Frau dagegen einen Eilantrag – schließlich hatte das Gericht ihren Führerschein ja wieder freigegeben. Und das müsse gelten.
Dieser Eilantrag blieb vor dem VG jedoch ohne Erfolg. Die Behörde habe die Antragstellerin gemäß den Bestimmungen der Fahrerlaubnisverordnung zu Recht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen, nachdem sie das angeforderte Gutachten nicht rechtzeitig vorgelegt hatte. Da aufgrund der Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von über 1,6 ‰ berechtigte Eignungszweifel bestünden, habe das medizinisch-psychologische Gutachten verlangt werden müssen, um die dadurch entstandenen Eignungszweifel auszuräumen. Die Frau sei auch nicht aufgrund des landgerichtlichen Urteils an der Anforderung dieses Gutachtens gehindert gewesen. Das Gericht habe lediglich wegen Zeitablaufs das Entfallen der amtsgerichtlich angeordneten Entziehung der Fahrerlaubnis festgestellt.
Hinweis: Die Fahrerlaubnisbehörde muss im Fall einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 ‰ eine medizinisch-psychologische Begutachtung verlangen. Die Fahrerlaubnisbehörde ist an eine strafgerichtliche Entscheidung zur Fahrerlaubnisentziehung nicht gebunden, wenn im Strafverfahren ein solches Gutachten nicht eingeholt wurde.
Quelle: VG Koblenz, Beschl. v. 24.08.2022 – 4 L 746/22.KO