Keine hinreichende Rechtsgrundlage: Fahrverbot gilt nicht für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge
Dass eine Trunkenheitsfahrt auf sogenannten fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wie Fahrrad oder neuerdings auch E-Scootern zum Verlust der Fahrerlaubnis führen kann, haben Gerichte bereits entschieden. Ob eine Fahrerlaubnisbehörde hingegen auch eben jenes Fahren mit Fahrrädern oder E-Scootern nach einer Trunkenheitsfahrt verbieten darf, musste der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) klären.
Dem Kläger war wegen einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt im Verkehr 2015 die Fahrerlaubnis für ein Jahr entzogen worden. 2016 beantragte er die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Dies lehnte das Landratsamt ab, da er das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten (MPU) nicht beibrachte. Daraufhin verzichtete der Kläger auf einen förmlichen Ablehnungsbescheid. 2021 wurde dem Landratsamt durch polizeiliche Mitteilung bekannt, dass die Polizei den Kläger auf einem dreirädrigen Mofa einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen und dabei deutlichen Alkoholgeruch festgestellt hatte. Die entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,24 ‰ auf. Wegen dieses Vorfalls verhängte das zuständige Amtsgericht durch Strafbefehl ein Fahrverbot von drei Monaten gegen den Kläger. Das Landratsamt forderte daraufhin den Kläger auf, eine MPU zu absolvieren und das Gutachten vorzulegen. Der Kläger teilte mit, er werde der Aufforderung nicht nachkommen. Die Behörde untersagte daraufhin dem Kläger, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil, das die Anordnung für rechtmäßig hielt, hatte Erfolg. Die Fahrerlaubnisbehörde kann das Führen von Fahrzeugen verbieten, wenn sich jemand – insbesondere durch Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss – als hierzu ungeeignet erweist. Dies gilt aber nicht für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge. Zur Begründung führte das Gericht an, solche Fahrverbote stellten einen schweren Eingriff in die als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit grundrechtlich geschützte Mobilität und eine erhebliche Belastung für die Betroffenen dar. Der entsprechende § 3 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung, auf den die behördliche Praxis die Verbote stützt, kann nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, denn er regele die Anforderungen an die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht hinreichend. Eine Übertragung der Maßstäbe für das Führen von Kraftfahrzeugen auf das Führen von Fahrrädern oder E-Scootern ist wegen des unterschiedlichen Gefahrenpotentials ebenfalls nicht möglich.
Hinweis: Umstritten war dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen auch das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen untersagt werden kann. Diese Frage hat der VGH nun geklärt: Das geltende Recht bietet demnach keine Grundlage für ein Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Der unterlegene Freistaat Bayern kann gegen das Urteil beim Bundesverwaltungsgericht Revision einlegen.
Quelle: Bayerischer VGH, Urt. v. 17.04.2023 – 11 BV 22.1234