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24. April 2022
Kündigung per Einwurfeinschreiben: Typischer Geschehensablauf widerspricht Behauptung, Schriftstück nicht erhalten zu haben

Wichtige Schriftstücke sollten stets als Einschreiben zugestellt werden, denn die regelmäßige Leserschaft hier weiß: Juristisch ist vieles eine Frage des richtigen Timings! Das Problem dabei ist jedoch: Es gibt zwei Einschreibemöglichkeiten – einerseits das Übergabeeinschreiben, andererseits das Einwurfeinschreiben. Letzteres wirft der Briefbote einfach in den Briefkasten und erstellt intern einen Nachweis des Einwurfs. Und die zeitgerechte Zustellung eben eines solchen Schriftstücks musste im Folgenden das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) bewerten.

Ein Arbeitgeber – ein Spielhallenbetreiber – beschloss aufgrund der Pandemie im Oktober 2020, einen Arbeitnehmer fristgemäß zum 30.11.2020 zu entlassen, und schickte ihm eine schriftliche Kündigung per Einwurfeinschreiben. Am 29.10.2020 bestätigte der Postmitarbeiter mit seiner Unterschrift, diese Sendung durch Einwurf in den Briefkasten des Empfängers eingelegt zu haben. Der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer wohnt in einer Hochhausanlage mit zehn Stockwerken, in dessen Hausflur sich die Briefkastenanlage mit 80 Fächern befindet. Ganz oben rechts befindet sich der ordnungsgemäß mit seinem Namen versehene Briefkasten des Arbeitnehmers, der nun behauptete, das Schreiben gar nicht bekommen zu haben.

Das LAG entschied jedoch zugunsten des Arbeitgebers. Die Richter räumten zwar ein, dass der Arbeitgeber tatsächlich nicht beweisen konnte, dass dem Gekündigten das Schreiben zugegangen war. Sie erkannten aber einen Anscheinsbeweis, der sich zuungunsten des Gekündigten auswirkte. Der sogenannte typische Geschehensablauf führte hier folglich dazu, dass es nicht mehr darauf ankam, dass eine Partei die tatsächlichen Einzelumstände eines bestimmten Geschehens nachweist. Und von solch einem Geschehensablauf ging das LAG ging in diesem Fall aus – es bewertete den vorhandenen Nachweis als rechtzeitigen Zugang der Kündigung.

Hinweis: Der Bundesgerichtshof hat einmal einen ähnlichen Fall genauso entschieden. Es gibt allerdings Landesarbeitsgerichte, die eine derartige Sachlage anders sehen. Deshalb sollten wichtige Schriftstücke niemals per Einschreiben zugestellt werden. Besser ist es, einen vertrauenswürdigen Boten zu beauftragen.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 18.01.2022 – 1 Sa 159/21

Thema: Arbeitsrecht