Motiv statt Bedingung: Urlaubsantritt als Anlass zur Testamentserstellung
Wieder einmal musste gerichtlich über die inhaltliche Interpretation eines Testaments entschieden werden. In dem Verfahren vor dem Landgericht Hagen (LG) ging es darum, ob der vorliegende letzte Wille der Erblasserin sich nur auf eine bestimmte Bedingung – nämlich das Versterben während eines anstehenden Urlaubs – bezog oder aber darüber hinaus Gültigkeit haben sollte.
Die Beteiligten stritten über Pflichtteilsansprüche nach dem Tod der Erblasserin. Die Parteien waren die beiden einzigen Kinder der Erblasserin, die 2021 verstarb. Das Testament der Erblasserin aus dem Jahr 1998 besagte, dass ihr Haus an ihre Tochter geht, während ihre Enkelkinder unter bestimmten Bedingungen Ansprüche auf das Haus erheben können. Einleitend heißt es in dem Testament: „Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte lege ich hiermit meinen letzten Willen fest. Das gilt für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme.“ Der Sohn schlug die Erbschaft nach dem Tod der Mutter aus und forderte die Schwester auf, ein Nachlassverzeichnis vorzulegen. Im Raum stand nun die Frage, ob es sich bei der Formulierung bezüglich des Urlaubs um eine Bedingung handelte, die für die folgende Verfügung maßgeblich gewesen sei, oder aber, ob es sich lediglich um das Motiv der Erblasserin für die Erstellung eines Testaments gehandelt habe.
Das LG entschied, dass die Erwähnung der Urlaubsreise lediglich den Anlass für die Errichtung darstellte und das Testament unbedingt gelten sollte – ohne an das Versterben während einer Urlaubsreise geknüpft zu sein. Die Auslegung des Testaments legte nahe, dass es sich um eine Motivangabe handelte und somit keine echte Bedingung für die Gültigkeit des Testaments vorlag. Die inhaltlichen Regelungen des Testaments zeigten zudem keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt der Erblasserin. Weiterhin verwies das LG darauf, dass die Erblasserin das Testament über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten unverändert gelassen hatte, was darauf hindeutete, dass es insgesamt für ihre Erbfolge maßgeblich sein sollte. Das LG verpflichtete die Schwester schließlich zur Auskunft über den Nachlass, da sie aufgrund des Testaments zur Alleinerbin eingesetzt worden war und dem Bruder nach wie vor Pflichtteilsansprüche zustanden. Auf die Ausschlagung der Erbschaft kam es nicht mehr an.
Hinweis: Eine Erbschaftsausschlagung zum Zweck der Geltendmachung des Pflichtteils geht ins Leere, wenn der Pflichtteilsberechtigte testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen ist.
Quelle: LG Hagen, Urt. v. 02.06.2023 – 4 O 265/22