Nach langer Trennungszeit: Ehewohnung darf nach offensichtlichem Scheitern der Ehe schließlich versteigert werden
Die Immobilie, in der Eheleute zusammen gewohnt haben, ist auch nach der Trennung noch die sogenannte „Ehewohnung“. Das entfaltet bis zur Scheidung gewisse Schutzmechanismen zugunsten desjenigen, der noch darin wohnt. Was jedoch passiert, wenn es trotz langer Trennung immer noch nicht zur Scheidung gekommen ist, während eine der beiden Parteien jedoch finanziell so schlecht gestellt ist, dass er auf die Teilungsversteigerung drängt, zeigt der folgende Fall des Bundesgerichtshofs (BGH).
Hier befasste sich der BGH mit dem Fall eines Zweifamilienhauses, in dem die deutsch-türkischen Eheleute als Familie eine Wohnung bewohnten und die andere vermietet hatten. Es gehörte den Eheleuten je zur Hälfte. Der Mann hatte 2018, drei Monate nach der Trennung, das Scheidungsverfahren in der Türkei eingeleitet. Die Scheidung war aber auch drei Jahre später noch nicht vollzogen. Der Mann, der von Sozialleistungen lebte, wollte das Haus nun verkaufen, und weil die Frau nicht zustimmte, beantragte er die Teilungsversteigerung. Die Frau versuchte, dies familienrechtlich zu verhindern, was ihr sowohl beim Amts- als auch beim Oberlandesgericht und schließlich vor dem BGH nur insoweit gelang, als dass dadurch weitere Jahre verstrichen. Denn im Ergebnis bekam sie nicht recht.
Die Belange der die Ehewohnung nutzenden Ehegattin und der Kinder seien durch § 180 Abs. 2 und 3 Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (Abwägung widerstreitender Interessen und Einstellung bei Gefährdung des Kindeswohls) hinreichend geschützt. Familienrechtlich sei das Ergebnis der Abwägung jedoch, dass nach so langer Trennung die Ehe offensichtlich gescheitert sei. Deshalb schütze die Ehe in diesem Fall nicht mehr vor der Teilungsversteigerung.
Hinweis: Für das Urteil spielte es auch eine Rolle, dass die Familie das Haus erst ein Jahr vor der Trennung gekauft und bezogen hatte und die Wohnung daher nur kurz die gemeinsame Ehewohnung gewesen war. Weil der Mann in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen lebte, sei nachvollziehbar, dass er Interesse an der Verwertung der Immobilie habe.
Quelle: BGH, Beschl. v. 16.11.2022 – XII ZB 100/22