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13. Mai 2023
Privattestament: Auslegung einer „Schenkung“ als Erbeinsetzung

Auch das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) musste sich jüngst mit der Auslegung einer möglichen letztwilligen Verfügung auseinandersetzen, die privat erstellt und folglich nicht ganz „sattelfest“ in ihrer Formulierung war. Doch besonders bei Testamenten stellen die Gerichte darauf ab, dass von Privatleuten nicht die juristische Sachkenntnis verlangt werden kann wie von entsprechenden Fachleuten. Naturgemäß verwenden sie selbst entsprechend viel Akribie darauf, was Erblasser gemeint haben können, damit deren letzter Wille als solcher umgesetzt werden kann.

In diesem Verfahren hatte der Erblasser im Jahr 2013 ein Schriftstück aufgesetzt, dass er für den Fall seines plötzlichen Ablebens seinen Hausanteil an den Mitbesitzer des Hauses „verschenke“. Der einzige Sohn des Erblassers war jedoch der Ansicht, dass es sich bei diesem Schriftstück um ein formunwirksames Schenkungsversprechen gehandelt habe, da dieses nicht notariell beurkundet wurde. Ein Testament jedenfalls habe der Erblasser damit nicht errichtet.

Dieser Ansicht ist das OLG im Ergebnis nicht gefolgt. Zunächst sei zwar auf den Wortlaut der Verfügung abzustellen – Vorrang hat aber immer der tatsächliche Wille des Erblassers, der durch das Gericht zu ermitteln war. Hierbei war von wesentlicher Bedeutung, dass eine Auslegung so vorzunehmen ist, dass die Verfügung auch tatsächlich Erfolg haben kann. Der Erblasser habe aus diesem Grund nach Ansicht des OLG den Begriff der Schenkung nicht im Rechtssinne verwendet. Auch handelte es sich nach Ansicht des Gerichts um den wesentlichen Wert des Nachlasses, weshalb auch ein Vermächtnis nicht in Betracht kam. Da die Verfügung ansonsten den formalen Anforderungen eines handschriftlichen Testaments entsprach, hatte der Erblasser mit dem Schriftstück ein formwirksames Testament errichtet und den Miteigentümer damit zum Alleinerben eingesetzt.

Hinweis: Um den tatsächlichen Willen des Erblassers ermitteln zu können, müssen bei Beantragung des Erbscheins auch Umstände vorgetragen werden, die sich nicht unmittelbar aus dem Schriftstück selbst ergeben.

Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 22.02.2023 – 3 W 31/22