Sorgerechtsverlust ohne Anhörung? Zur Bestimmung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist der persönliche Eindruck unentbehrlich
Wer in einer Zivilrechtssache einem Gerichtstermin unentschuldigt fernbleibt oder sich alternativ schlicht und ergreifend einfach nicht zur Sache einlässt, muss mit einem sogenannten Versäumnisurteil rechnen. Ob ein solches auch in Sorgerechtssachen – im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Bamberg (OLG) zur Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts – hingenommen werden muss, lesen Sie hier.
Eine Mutter von drei Kindern wollte sich von deren Vater trennen, ausziehen und die Kinder mitnehmen. Weil der Vater damit nicht einverstanden war, beantragte sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei dem Familiengericht des Amtsgerichts Lichtenfels (AG). Das begehrte Aufenthaltsbestimmungsrecht bekam die Mutter dann auch – ohne Anhörung der Kinder und ohne Anhörung des Vaters, der (warum auch immer) nicht zum Gerichtstermin erschienen war.
So geht das in Augen des OLG allerdings nicht, da es in Sorgerechtssachen kein Versäumnisurteil gibt. Die Anhörung beider Eltern dient der Aufklärung des Sachverhalts und einem persönlichen Eindruck von den Eltern – sie ist somit unverzichtbar, sofern das Gericht keine schwerwiegenden Gründe gegen die Anhörung nennt. Bei unentschuldigtem Nichterscheinen des Kindsvaters ist daher nicht davon auszugehen, dass ihm das Sorgerecht entzogen werden kann, sondern es ist neu zu terminieren und dann bei erneutem Nichterscheinen ein Ordnungsgeld zu verhängen. Auch der persönliche Eindruck von allen drei Kindern ist für eine solche Entscheidung unentbehrlich – das OLG hat den Fall daher wegen erheblicher Verfahrensmängel an das AG zurückverwiesen.
Hinweis: Das OLG hätte die Anhörungen natürlich nachholen können, wollte diese Belastung den Kindern aber aufgrund der Ortsferne nicht zumuten.
Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 29.12.2021 – 7 UF 175/21