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3. Mai 2023
Stillschweigende Ersatzerbeneinsetzung: Vom Schlusserben zum Ersatzerben durch Ausschlagung der angefallenen testamentarischen Erbfolge

Im folgenden Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) ging es um die Frage, inwieweit ein Kind bei dessen bindender Einsetzung als Schlusserbe im Fall einer Erbausschlagung durch den testamentarischen Haupterben auch gleichsam als Ersatzerbe anzusehen ist. Zu kompliziert? Dann lesen Sie selbst.

Die Erblasserin hatte im Jahr 1997 ihren Sohn testamentarisch zu ihrem Alleinerben eingesetzt. Im August 2000 errichtete sie dann gemeinsam mit ihrem Ehemann ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich beide Ehegatten wechselseitig zu Erben einsetzten und den Sohn zum Schlusserben bestimmten. Nachdem zunächst ein gemeinschaftlicher Erbschein beantragt und durch das Nachlassgericht erteilt wurde, zog das Nachlassgericht mit Beschluss vom September 2021 diesen Erbschein ein. Der Sohn beantragte daraufhin unter Vorlage des Testaments aus dem Jahr 1997 die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass er die Erblasserin allein beerbt habe. Der Ehemann erklärte die Ausschlagung der angefallenen testamentarischen Erbfolge sowie die Annahme des gesetzlichen Erbes. Der Sohn war der Ansicht, dass er nach wirksam erfolgter Ausschlagung des Ehemanns der Erblasserin Alleinerbe geworden sei. Seine Einsetzung als Schlusserbe in dem Testament umfasse auch seine Einsetzung als Ersatzerbe.

Dieser Ansicht schloss sich im Ergebnis auch das OLG an. Die Ausschlagung des testamentarischen Erbes durch den Ehemann sei form- und fristgerecht erfolgt. Bei einer bindenden Schlusserbeneinsetzung sei im Regelfall aufgrund einer ergänzenden Auslegung davon auszugehen, dass mit der Schlusserbeneinsetzung zugleich die Einsetzung der Kinder als Ersatzerben gewollt sei.

Hinweis: Hat ein Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach Errichtung des Testaments weg, ist nach der gesetzlichen Wertung im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge Ersatzerben werden sollen.

Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 14.02.2023 – 3 W 60/22