Unzureichende Verkehrssicherung: Baumeigentümer haftet bei Astbruch nur sechs Monate nach einer Baumkontrolle
Bäume sind für viele Menschen magische Wesen. Unergründlich erscheint jedoch auch Fachleuten zeitweise das Innere der schatten- und sauerstoffspendenden Gewächse zu sein, wie im folgenden Fall des Landgerichts Koblenz (LG). Denn hier ging es um eine im Rahmen der Verkehrssicherung erfolgte Kontrolle eines Baums, der kurz darauf einen seiner Äste auf einen Pkw abwarf. Wer dafür haftbar zu machen ist, lesen Sie hier.
Ein Autofahrer parkte seinen Wagen auf einem Parkplatz, der zu einem Kletterwald eines Stadtwalds gehörte. Als er zu seinem Auto zurückkam, stellte er fest, dass ein ca. vier Meter langer Ast von einem in unmittelbarer Nähe stehenden Baum abgebrochen war und seinen Pkw beschädigt hatte. Der Mann wandte sich an die Kommune und forderte Schadensersatz. Seiner Ansicht nach lag eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vor. Die Versicherung verweigerte jedoch die Zahlung mit dem Hinweis, dass die letzte Baumkontrolle erst sechs Monate zurücklag und befundlos war.
Das LG entschied, dass von einer unzureichenden Kontrolle auszugehen ist, wenn so kurz nach der Sichtung ein großer Ast herabfällt. Es stelle auch kein allgemeines Lebensrisiko dar, dass bei einer Kontrolle ein versteckter abgestorbener Ast übersehen werden kann. Nach Ansicht des Revierförsters und eines Sachverständigen hätte ein solcher Zustand bei einer ordnungsgemäßen Kontrolle auffallen müssen. Daher sei hier nicht sorgfältig kontrolliert worden – eine klare Pflichtverletzung.
Hinweis: Der Verkehrssicherungspflichtige genügt seiner Überwachungs- und Sicherungspflicht, wenn er die Bäume an Straßen und Wegen in angemessenen Zeitabständen auf Krankheitsanzeichen untersucht und notwendige Pflegemaßnahmen vornimmt. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt in solchen Fällen nur dann vor, wenn vom Verpflichteten Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen.
Quelle: LG Koblenz, Urt. v. 15.02.2022 – 1 O 72/20