Verbleib in Ehewohnung: Billigkeitsabwägung bei körperlicher Behinderung
Wenn Eheleute sich trennen, ist ein häufiger Konfliktpunkt die Frage, wer in der ehelichen Wohnung verbleiben darf. Wer Eigentümer oder Mieter ist, spielt bei der Beantwortung eher eine Nebenrolle, denn eine „Ehewohnung“ wird nach Billigkeitskriterien zugewiesen. So war es auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).
Hier waren die Eheleute bereits geschieden und teilten sich die Nutzung der 130 m2 großen Wohnung, die beiden jeweils hälftig gehörte, immer noch. Die Besonderheit war hier, dass beide bereits querschnittsgelähmt waren, als sie heirateten, und sich die Wohnung entsprechend behindertengerecht eingerichtet hatten.
Sowohl das Amtsgericht als auch das OLG entschieden, dass die Frau ausziehen müsse, und das OLG gab ihr dafür auch nur noch ein halbes Jahr Zeit. Für die Zuweisung an den Mann sprach letztlich, dass es sich um sein Elternhaus gehandelt hatte, er dort schon vor dem Einzug der Frau gewohnt hatte und an diesem Ort verwurzelt sei. Sein Bruder wohne ebenfalls im Haus. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Mann eine in seiner Nähe wohnende Lebensgefährtin habe. Trotz seiner besseren wirtschaftlichen Verhältnisse sei er damit stärker auf die Nutzung der Ehewohnung angewiesen als die Frau, die insbesondere nicht über vergleichbar intensive Bindungen im Ort verfüge.
Hinweis: Die Entscheidung zeigt, dass es im Einzelfall auf derartige Details ankommt. Darauf, dass auch Geld der Frau in der Wohnung steckte, kam es für die Frage ihres Auszugs nicht an. Die Miteigentumsgemeinschaft wird nicht durch das Familiengericht aufgelöst, sondern notfalls durch Teilungsversteigerung. Bis dahin wird der Mann Nutzungsentschädigung zahlen müssen.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.05.2022 – 6 UF 42/22