Besichtigungsrecht des Vermieters: Eigentümerinteressen müssen gegenüber Gesundheitsgefahren auf Mieterseite zurückstehen
Unser Grundgesetz regelt in Art. 13 die sogenannte Unverletzlichkeit der Wohnung. Selbstverständlich gibt es Voraussetzungen, die auch dieses Grundrecht außer Kraft setzen – dennoch zeigt dieses Grundrecht, was die Wohnung uns Menschen bedeutet. Sie ist ein sicherer Rückzugsort, die dem Einzelnen einen elementaren Lebensraum zusichert. Da eine Mietwohnung jedoch einen anderen Eigentümer als die Bewohner hat, steht außer Frage, dass es dem Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen auch möglich sein muss, dieses Eigentum zu betreten. Wann dieses Recht nicht einfach durchzusetzen ist, zeigt dieser Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging.
In einem Mietvertrag hatte der Vermieter mit seiner Mieterin vereinbart, dass die Besichtigung der Mieträume zu verkehrsüblicher Tageszeit nach vorheriger rechtzeitiger Ankündigung aus besonderem Anlass möglich sein soll – insbesondere im Fall der Beendigung des Mietverhältnisses zwecks anderweitiger Vermietung oder bei beabsichtigtem Verkauf der Wohnung. Zwei Jahre nach Abschluss des Mietvertrags wollte der Vermieter die Wohnung verkaufen und forderte seine Mieterin auf, ihm und Interessenten in Begleitung von Immobilienmaklern den Zutritt zur Wohnung zu gestatten. Die Mieterin lehnte dies unter Verweis auf eine schwerwiegende psychische Erkrankung ab.
Das erstinstanzliche Amtsgericht bot einen (abgelehnten) Kompromiss an, bei dem maximal zwei Personen für maximal 45 Minuten die Wohnung zur Besichtigung betreten dürften. Doch ein später vom Landgericht (LG) beauftragter Psychiater bestätigte, dass die Mieterin schon lange an einer komplexen psychischen Störung leide. Ihre Wohnung sei nach mehreren Suizidversuchen ihr einziger Schutzraum, den „Fremde“ nun bedrohen würden, wenn sie die Wohnung betreten. Ein erneuter Suizidversuch sei nicht unwahrscheinlich. Auf Basis dieses Gutachtens lehnte das LG die Klage der Vermieter als „derzeit unbegründet“ ab.
Schließlich ging der Rechtsstreit bis zum BGH. Zunächst bestätigte dieser, dass es grundsätzlich eine vertragliche, aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch herzuleitende Nebenpflicht des Wohnraummieters ist, dem Vermieter nach entsprechender Vorankündigung den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gebe. Eine solche Pflicht kann sich (wie hier vorliegend) zudem aus einer entsprechenden Vereinbarung im Mietvertrag ergeben. Dennoch gilt, dass das Besichtigungsrecht der Vermieter eingeschränkt werden könne, wenn Gesundheit oder Leben der Mieterin dadurch ernsthaft in Gefahr gebracht würden. Dann müssten die Eigentümerinteressen zurückstehen. Hier muss die Vorinstanz jedoch nochmals prüfen, ob sich die gesundheitlichen Folgen für die Mieterin durch entsprechende Einschränkungen des Besuchsrechts reduzieren lassen. Der BGH verwies die Angelegenheit deshalb an das Berufungsgericht zurück. Das LG hatte in Augen des BGH nämlich die Möglichkeit außer Acht gelassen, die Besichtigung in Abwesenheit der Mieterin durchzuführen. Der Gutachter habe erklärt, dass sich die Gesundheitsrisiken reduzieren ließen, wenn eine Vertrauensperson der Mieterin an ihrer statt an der Wohnungsbesichtigung teilnähme.
Hinweis: Mieter sollten stets beachten, dass der Vermieter grundsätzlich nach vorheriger Ankündigung ein Besichtigungsrecht der Wohnung oder des Mietshauses hat. Natürlich dürfen es Vermieter dabei nicht übertreiben. Was möglich ist und was nicht, kann im Zweifel der Rechtsanwalt des Vertrauens sagen.
Quelle: BGH, Urt. v. 26.04.2023 – VIII ZR 420/21