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Schlagwort: Arbeitsorganisation

Abhängigkeitsverhältnis entscheidet: Wann als Freiberuflerinnen engagierte Sexdienstleisterinnen eher Arbeitnehmerinnen sind

Schon des Öfteren haben Gerichte klargestellt, ab welchem Maß berufliche Abhängigkeiten und Weisungsbefugnisse einer selbständigen Tätigkeit konträr gegenüberstehen. Dass es im folgenden Fall des Landesarbeitsgerichts Köln (LAG) um Sexarbeiterinnen geht, ändert an der Fragestellung, ob die Frauen arbeitsrechtlich als angestellt oder selbständig gelten, rein gar nichts.

 

Eine Arbeitgeberin beschäftigte in ihren Geschäftsräumen Telefonistinnen, die als freiberufliche Mitarbeiterinnen geführt wurden. Die Telefonistinnen führten sexuelle Dienstleistungen aus und mussten sich einen kleinen Raum mit Tisch, Stuhl und Computer sowie drei Telefonen für 50 EUR im Monat mieten. Ferner durften sie einen von der Arbeitgeberin vorgehaltenen Aliasnamen sowie Fotos, die auf einer Internetseite veröffentlicht wurden, aussuchen. Die von ihnen gewünschten Einsätze konnten die Telefonistinnen in Dienstpläne eintragen. Ihre Tätigkeit wurde durch eine an der Decke befestigte Videokamera aufgezeichnet, die Telefonate wurden mitgeschnitten. Als zwei Frauen Geld einklagten, ging es folgerichtig zuerst um die Frage, ob sie vor dem Arbeitsgericht klagen dürften. Schließlicht waren die Frauen der Ansicht, Arbeitnehmerinnen und nicht Selbständige zu sein.

Das LAG war ganz ihrer Ansicht und entschied, dass die Arbeitsgerichte durchaus für die beiden Sexarbeiterinnen zuständig seien. Schließlich habe die Arbeitgeberin durch die Audio- und Videoüberwachung und auch durch die Einbindung in die Arbeitsorganisation eine für selbständige Freiberuflerinnen wichtige Marktpräsenz der beiden Frauen verhindert. Zudem konnten sich die Telefonistinnen durch das Geschäftsgebaren der Arbeitgeberin auch keinen eigenen Kundenstamm aufbauen. Sie waren somit fremdbestimmt und eindeutig nicht selbständig tätig.

Hinweis: Im Zweifelsfall sollte zunächst vor dem Arbeitsgericht geklagt werden, das den Rechtsstreit dann immer noch entsprechend verweisen kann.

Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 25.08.2020 – 9 Ta 217/19 und 9 Ta 98/20

Thema: Arbeitsrecht

Keine Einbindung, klare Weisungsregeln: Wie Arbeitgeber mit Werkverträgen das Mitspracherecht des Betriebsrats aushebeln

Wie einfach ein Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats umgehen kann, zeigt dieser Fall.

Ein Arbeitgeber schloss mit einem portugiesischen Unternehmen einen Werkvertrag über Wochenendarbeitszeiten. Dieses ließ sodann seine portugiesischen Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten. Die Arbeitnehmer produzierten bestimmte Teile auf dem Betriebsgelände der eigentlichen Arbeitgeberin außerhalb der üblichen Öffnungszeiten. Dabei wurden sie von Führungskräften des portugiesischen Werkunternehmers angeleitet.

Der Betriebsrat des deutschen Unternehmens meinte nun, dass er bei dieser Vereinbarung zu beteiligen gewesen wäre, und zog vor das Arbeitsgericht. Die Richter konnten jedoch nicht feststellen, dass die Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des deutschen Arbeitgebers eingegliedert worden waren. Auch Weisungen erhielten sie nur von ihrem portugiesischen Arbeitgeber. Zudem konnte das Gericht keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür feststellen, dass die Arbeitgeberin durch die hier gewählte werkvertragliche Lösung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in unzulässiger Weise umgangen hatte. Somit waren keine Rechte des Betriebsrats verletzt worden.

Hinweis: In diesem Fall hat der Arbeitgeber – zumindest aus seiner Sicht – alles richtig gemacht. Er musste trotz der Beschäftigung neuer Arbeitskräfte seinen Betriebsrat nicht beteiligen. Ob das allerdings zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat führt, scheint fraglich.

Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 14.10.2016 – 13 TaBVGa 8/16
um Thema: Arbeitsrecht