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Schlagwort: Auffahrunfall

Unfall bei Familienfehde: Kein Schadensersatz für Beschädigung eines als Verkehrshindernis abgestellten Fahrzeugs

Es ist hinreichend bekannt, dass bei weitem nicht jeder imstande ist  im Straßenverkehr ruhig Blut zu wahren. Wer bei ungezähmter Gefühlslage der Meinung sein sollte, sein Fahrzeug als Hindernis einzusetzen, um einen Kontrahenten zu stellen, sollte sich in aller Ruhe die folgende Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (OLG) zu Gemüte führen.

Der Geschädigte dieses Falls machte Schadensersatzansprüche gegenüber einem anderen Fahrzeughalter geltend, der in einem gemieteten Wagen mit überhöhter Geschwindigkeit auf sein Fahrzeug aufgefahren war. Polizei und Staatsanwaltschaft haben den Unfall hingegen als eine provozierte Kollision nach einer Verfolgungsjagd im Rahmen einer familieninternen Auseinandersetzung gewertet. Dabei soll ein weiterer Fahrer mit seiner Limousine den Leihwagen verfolgt und zum Auffahren auf den zwischen einer Verkehrsinsel und dem Gehweg stehenden Wagen des Geschädigten getrieben haben, um diesen dann verprügeln zu können. Zuvor seien zudem von dem Limousinenfahrer und Begleitern Gleissteine auf den Leihwagen geworfen worden sein. Daraufhin sei dessen Fahrer geflohen. Der Geschädigte behauptete nun, dass der Mann infolge einer Unaufmerksamkeit und überhöhter Geschwindigkeit bei der Flucht auf seinen Wagen aufgefahren sei, als sein Bruder dabei war, diesen auf dem Seitenstreifen zu parken.

Sowohl das Landgericht als auch des OLG haben nach Anhörung der Beteiligten Schadensersatzansprüche des Geschädigten abgelehnt. Alle Richter hielten die Aussage des verfolgten Leihwagenfahrers für glaubhafter als die der anderen Zeugen. Die Gerichte gingen davon aus, dass es sich hierbei nicht um einen typischen Auffahrunfall handelte. Vielmehr bestand die berechtigte Annahme, dass es sich vielmehr um eine außer Kontrolle geratene Flucht handelte, die zu der Kollision mit dem Wagen führte, der bewusst als Hindernis aufgestellt worden war.

Hinweis: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung jener Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift (§ 7 StVG) schadlos gehalten werden soll. Die Schadensfolge muss also in den Bereich der Gefahren fallen, wegen der die Rechtsnorm überhaupt erst erlassen worden ist. Eine provozierte Kollision gehört dazu natürlich nicht.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 22.01.2020 – 14 U 173/19

Thema: Verkehrsrecht

Behaupteter Spurwechsel: Den Anscheinsbeweis zu widerlegen, ist Aufgabe des Auffahrenden

Bestreitet der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel, den dieser zudem nicht beweisen kann, bleibt für die Abwägung allein der Auffahrunfall maßgeblich. Es ist nicht Sache des Vorausfahrenden zu beweisen, dass ein Spurwechsel nicht stattgefunden hat.

Auf einer Autobahn kam es zu einem Verkehrsunfall. Der Schädiger fuhr auf das vor ihm fahrende Fahrzeug des Geschädigten und behauptete, dieser habe kurz zuvor einen Spurwechsel vorgenommen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nunmehr entschieden, dass für den Fall, dass der Auffahrende nicht beweisen kann, dass der Geschädigte kurz zuvor einen Spurwechsel durchgeführt hat, den Auffahrenden die Alleinhaftung trifft. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann auch bei Auffahrunfällen auf der Autobahn der Anscheinsbeweis dafür sprechen, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft allein verursacht hat. Das „Kerngeschehen Auffahrunfall“ reicht für die Annahme eines Anscheinsbeweises dann allerdings nicht aus, wenn atypische Umstände vorliegen. Hierzu gehört auch ein durchgeführter Spurwechsel. Steht allerdings nicht fest, ob solche atypischen Umstände vorliegen, steht der Anwendung des Anscheinsbeweises nichts entgegen.

Es obliegt demjenigen, zu dessen Lasten ein solcher Anscheinsbeweis angewendet werden soll, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass Umstände vorlagen, die gegen den Charakter des ersten Anscheins sprechen. Er hat den Anscheinsbeweis also zu erschüttern. Bestreitet der Geschädigte den behaupteten Spurwechsel jedoch und kann der Auffahrende diesen nicht beweisen, ist bei der Abwägung allein ein Auffahrunfall mit seinen generellen Wesenszügen maßgeblich.

Hinweis: Bei einem Anscheinsbeweis handelt es sich um eine Beweiserleichterung für den Geschädigten. Soll der Anscheinsbeweis zur Anwendung kommen, muss ein allgemeiner Erfahrungssatz festgestellt werden, aufgrund dessen sich der Schluss aufdrängt, eine bestimmte Folge sei auf eine bestimmte Ursache oder umgekehrt zurückzuführen. Kann der Schädiger den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern, bleibt es in der Regel bei seiner vollen Haftung.

Quelle: BGH, Urt. v. 13.12.2016 – VI ZR 32/16

Thema: Verkehrsrecht

Anscheinsbeweis kam mit Martinshorn: Wer auffährt, hat so lange Schuld, bis er das Gegenteil eindeutig beweisen kann

Bei einem Auffahrunfall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende entweder unaufmerksam war oder zu dicht aufgefahren ist. Will er diesen Anscheinsbeweis entkräften, muss er nachweisen, dass sein Vordermann ohne zwingenden Grund stark gebremst hat.

Eine Pkw-Fahrerin beabsichtigte, innerorts auf eine Vorfahrtstraße abzubiegen. Aufgrund einer auf rot geschalteten Ampel musste sie auf der Rechtsabbiegerspur anhalten. Hinter ihr kam ein weiteres Fahrzeug zum Stehen. Nachdem die Ampel auf grün umgesprungen war, fuhren beide Fahrzeuge an, um nach rechts abzubiegen. Während des Abbiegevorgangs vernahm die vorausfahrende Pkw-Fahrerin das akustische Signal eines Rettungswagens und bremste ihr Fahrzeug ab. Der hinter ihr fahrende Pkw-Fahrer fuhr auf. Seine Haftpflichtversicherung ersetzte der Pkw-Fahrerin deren Schaden nur zu 2/3 mit der Begründung, sie hätte wegen des Rettungswagens nicht bremsen dürfen.

Das Landgericht Hamburg hat die Versicherung zur Zahlung des restlichen Schadensersatzes verpflichtet. Der Beweis des ersten Anscheins spreche für das alleinige Verschulden des Auffahrenden. Dieser war entweder unaufmerksam oder zu dicht aufgefahren. Er konnte außerdem nicht beweisen, dass die vorausfahrende Pkw-Fahrerin ohne zwingenden Grund stark abgebremst hatte. Zudem war die Pkw-Fahrerin beim Wahrnehmen des Martinshorns verpflichtet, sich schnellstmöglich Kenntnis darüber zu verschaffen, von wo aus sich das mit Sonderrechten fahrende Rettungsfahrzeug annäherte. Weiterhin berücksichtigte das Gericht die Erklärung der Pkw-Fahrerin, sie habe normal abgebremst und nicht, wie der Auffahrende behauptet, eine Vollbremsung eingeleitet.

Hinweis: Um eine Mithaftung des Vorausfahrenden zu begründen, muss der Auffahrende nachweisen, dass der Vordermann ohne zwingenden Grund stark abgebremst hat. Ein zwingender Grund besteht, wenn andere oder der Bremsende selbst gefährdet oder geschädigt werden könnten.

Quelle: LG Hamburg, Urt. v. 21.10.2016 – 306 O 141/16
Thema: Verkehrsrecht