Härtefallscheidung: Voraussetzungen liegen nur selten vor
Grundsätzlich gilt, dass eine Ehe erst nach Ablauf eines Trennungsjahres als gescheitert angesehen und geschieden werden kann. Etwas anderes gilt, wenn ein Ehepartner ein Verhalten an den Tag legt, das es unzumutbar erscheinen lässt, das Trennungsjahr abwarten zu müssen. Die praktische Bedeutung dieser Ausnahmeregelung war schon immer gering – und so wird es auch in Zukunft bleiben.
Ob das von einem Ehegatten an den Tag gelegte Verhalten als unzumutbar anzusehen ist, wird naturgemäß unterschiedlich bewertet. Die Rechtsprechung war diesbezüglich von jeher eher streng. Einfaches Fremdgehen reicht so bei weitem nicht aus, eine vorzeitige Scheidung verlangen zu können.
Schon deshalb ist es nur in extremen Ausnahmesituationen möglich, vor Ablauf des Trennungsjahres geschieden zu werden. Hinzu kommt: Mit der Scheidung ist auch über den Versorgungsausgleich zu entscheiden. Das bedeutet, dass die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften der beteiligten Ehegatten je hälftig aufzuteilen sind. Die Klärung der Versicherungskonten nimmt normalerweise längere Zeit in Anspruch. Wer die Scheidung wegen besonderer Härte vor Ablauf des Trennungsjahres verlangen kann, wird ein Interesse daran haben, dass zunächst geschieden und erst danach und separat der Versorgungsausgleich durchgeführt wird. Dies sei aber nicht zulässig. Auch in einem Härtefall sind also erst die Versicherungskonten zu klären, bevor die Scheidung erfolgen kann.
Hinweis: Berater empfehlen daher in der Regel zu Recht, von einem vorzeitigen Scheidungsantrag abzusehen. Die besonderen Härtevoraussetzungen liegen nur allzu selten vor. Ist dies ausnahmsweise einmal anders, bedeutet dies – wie dargestellt – nicht automatisch, auch tatsächlich rascher geschieden werden zu können.
Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.09.2015 – 11 UF 76/15
Thema: Familienrecht