Skip to main content

Schlagwort: außergewöhnliche Belastungen

Kosten künstlicher Befruchtung: Geltendmachung als außergewöhnliche Belastung darf nicht vom Beziehungsstatus abhängen

Ein (bislang) unerfüllter Kinderwunsch muss in Zeiten der modernen Reproduktionsmedizin nicht mehr ohne weiteres als naturgegeben hingenommen werden. Doch der finanzielle Aufwand ist mitunter immens, bis das Wunschkind endlich in den Armen gehalten werden kann. Ob auch eine alleinstehende Frau hierbei zumindest auf steuerliche Erleichterung hoffen darf, war in der Klärung Aufgabe des Finanzgerichts Münster (FG).

Eine knapp 40-jährige Frau litt unter einer krankheitsbedingten Fertilitätsstörung und unterzog sich deshalb einer Kinderwunschbehandlung, die gut 12.000 EUR kostete. Ihre Krankenkasse übernahm die Kosten nicht, sie musste sie also selbst zahlen. Im Rahmen der Steuererklärung machte sie diesen Aufwand als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt akzeptierte das jedoch nicht und argumentierte seine Entscheidung damit, dass die Frau nicht den Nachweis geführt habe, in einer gefestigten Partnerschaft zu leben. Dagegen klagte die Frau. Über ihren familiären Status schwieg sie sich aus und machte geltend, diesen nicht mitteilen zu wollen.

Anders als das Finanzamt ließ das FG die Abzugsfähigkeit der Kosten zu, erkannte also die Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastungen an. Als solche Belastungen seien seiner Ansicht nach Krankheitskosten anzusehen, die entweder zum Zweck der Heilung einer Krankheit erbracht werden oder diese erträglicher machen. Dabei seien auch solche anfallenden Kosten zu berücksichtigen, um ein gesundheitliches Problem zu umgehen und zu kompensieren – also auch bei einer künstlichen Befruchtung. Da sich bei der Frau nicht rein altersbedingt, sondern auch krankheitsbedingt ohne Behandlung keine Schwangerschaft einstellte, waren die Kosten also anerkennungsfähig. Die Höhe wurde dabei nicht als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen. Und um zum wesentlichen Streitpunkt im Prozess zu kommen: Auf die Frage, ob die Frau in einer gefestigten Partnerschaft lebe, komme es nicht an!

Hinweis: Das FG hat mit seiner Entscheidung nicht nur Kinderfreundlichkeit bewiesen, sondern auch das Recht alleinstehender Frauen gestärkt. Ob sich die Entscheidung generell durchsetzt, bleibt einerseits zwar zu hoffen, andererseits aber auch skeptisch abzuwarten.
 

Quelle: FG Münster, Urt. v. 24.06.2020 – 1 K 3722/18 E

Thema: Familienrecht

Scheiden tut weh: Nur die zwangsläufig entstehenden Scheidungskosten sind steuerlich absetzbar

In den letzten Jahren ergaben sich Unsicherheiten, wie mit den Kosten eines Scheidungsverfahrens steuerrechtlich zu verfahren ist, so z.B., ob die Gerichts- und Anwaltskosten abgesetzt werden können oder ob sie steuerlich eher ohne Bedeutung sind.

Die Antwort richtet sich nach dem Einkommensteuergesetz. Danach sind außergewöhnliche Belastungen unter bestimmten Umständen steuerlich abzugsfähig. Außergewöhnliche Belastungen sind Kosten, die höher sind als bei der überwiegenden Mehrzahl jener Steuerpflichtigen mit gleichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie mit gleichem Familienstand. Unter diesem Aspekt sind Scheidungskosten durchaus als außergewöhnliche Belastungen anzusehen.

Jedoch ist zudem erforderlich, dass die Kosten zwangsläufig anfallen. Das ist nur dann der Fall, wenn sie sich nicht vermeiden lassen – genau hier liegt der Haken. Geschieden wird eine Ehe ausschließlich durch die gerichtliche Entscheidung. Mit der Scheidung wird zumindest in den allermeisten Fällen zwangsläufig auch der Versorgungsausgleich durchgeführt. Das ist gesetzlich so vorgesehen. Die damit verbundenen Kosten sind also unvermeidbar und können steuerlich geltend gemacht werden.

Die weiteren Problembereiche der familienrechtlichen Auseinandersetzung – also insbesondere die Bereiche Unterhalt und Güterrecht – sind nicht zwangsläufig streitig und gerichtlich zu klären. Dazu könnten sich die Ehegatten schließlich auch untereinander und sozusagen kostenfrei verständigen. Allein weil diese Möglichkeit besteht, sind die bei Streit entstehenden Kosten durch Anwälte und Gerichte also nicht zwangsläufig – und deshalb auch nicht steuerlich abzugsfähig.

Hinweis: Die Kosten, die mit einer Scheidung und den in diesem Zusammenhang anfallenden Klärungen anfallen, können also steuerlich abgesetzt werden, soweit sie zwangsläufig entstehen. Das sind zumindest die Kosten des reinen Scheidungsverfahrens. Es sollte nicht vergessen werden, diese bei der Steuererklärung auch geltend zu machen.

Quelle: BFH, Urt. v. 10.03.2016 – VI R 38/13
Thema: Familienrecht