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Schlagwort: Billigkeitserwägung

Unterhalt und Selbstbehalt: Differenzierung von erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen zulässig

Die Höhe des zu zahlenden Unterhalts wird in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen festgelegt, dem ein gewisser Mindestbetrag zum Leben zu verbleiben hat. Da auch Billigkeitserwägungen Einfluss nehmen, kann von einem Unterhaltspflichtigen nur so viel Unterhalt verlangt werden, dass dieser nicht selbst sozialhilfebedürftig wird. Inwieweit deutsche Oberlandesgerichte (OLG) in der Höhe des Selbstbehalts differenzieren dürfen, musste im Folgenden der Bundesgerichtshof (BGH) bewerten.

In manchen OLG-Bezirken gibt es einen einheitlichen sogenannten Selbstbehalt, der dem Unterhaltspflichtigen in jedem Fall zu belassen ist. In anderen Bezirken wird dagegen differenziert, um Erwerbstätigen einen höheren Anreiz zu verschaffen, weiterhin erwerbstätig zu sein: Der Selbstbehalt desjenigen, der arbeitet, ist dort höher als bei dem, der nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt aktiv ist, zum Beispiel Einkünfte etwa aus einer Rente erwirtschaftet.

Ein Rentner hatte nun geklagt, weil ihm im OLG-Bezirk Hamm ein Selbstbehalt von 1.090 EUR zugestanden worden war, während dieser bei 1.200 EUR gelegen hätte, würde es sich um Einkünfte aus aktiver Tätigkeit handeln.

Der BGH bestätigte dieses Vorgehen. Laut den Richtern liegt es eindeutig in der Kompetenz der jeweiligen OLG-Kollegen, wie geschehen zu differenzieren – auch dann, wenn dies derart nicht in allen Gerichtsbezirken der Republik erfolgt.

Hinweis: Unterhalt exakt und korrekt zu bestimmen, ist nicht nur generell eine komplexe Aufgabe, die Detailkenntnisse voraussetzt. Sie fällt zudem in Hamburg oder Stuttgart auch nicht automatisch gleich aus.

Quelle: BGH, Beschl. v. 16.10.2019 – XII ZB 341/17

Thema: Familienrecht

Aspekte bei Wohnungszuweisung: Neben den Lebensverhältnissen entscheidet der Gerechtigkeitsgedanke

In der Praxis kommt es seltener als allgemein vermutet vor, dass sich Ehegatten für die Zeit nach der Scheidung nicht einig sind, wer in der bisherigen Ehewohnung oder dem entsprechenden Haus wohnt. Kommt es aber bei der Frage zum Streit, ist die Unsicherheit groß. Denn die zu beachtenden Billigkeitserwägungen machen die Einschätzung nicht einfach, wie der folgende Fall des Oberlandesgerichts Hamburg (OLG) zeigt.

Eine Familie lebte in einer Genossenschaftswohnung. Die Ehegatten hatten eine Tochter, die bedauerlicherweise stark an Mukoviszidose erkrankt war. Als die Ehe in eine Krise geriet, schlossen die Parteien eine Vereinbarung, wonach im Fall der Trennung und Scheidung die Frau mit der Tochter bis zu deren Schulabschluss in der Wohnung verbleiben solle. Erst danach solle der Mann die Wohnung nutzen dürfen. Schließlich kam es auch zur Trennung und Scheidung. Nach dem erfolgten Schulabschluss der Tochter begehrte der Mann für die Zeit nach der Scheidung die Wohnung folglich wie abgemacht für sich. Doch die Frau wollte nicht ausziehen.

Das OLG wies in seiner Entscheidung auf die maßgeblichen Kriterien hin, die bei der Wohnungszuweisung zu beachten sind. Bei der entscheidenden Frage, wer auf die Wohnung im stärkeren Maße angewiesen sei, sind besonders die im Haushalt lebenden Kinder und die bisherigen Lebensverhältnisse der Ehegatten zu beachten. Außerdem muss ein Gericht bei seiner Entscheidung auch sogenannte Billigkeitsgründe – ein juristischer Begriff für den Gerechtigkeitsgedanken – berücksichtigen.

Diese auf den ersten Blick unklare Lage hat das Gericht wie folgt entwirrt. Nachdem das erkrankte Kind seine Schule beendet und unterdessen auch ein Studium aufgenommen hatte, sah es keinen allgemeinen zwingenden Grund, die Wohnung der Mutter zu belassen. Da die Ehegatten sich in der Krise geeinigt hatten, dass der Mann nach dem Schulabschluss der Tochter wieder in die Wohnung kann, sprach es ihm die Wohnung vielmehr aus Billigkeit zu.

Hinweis: Wie die Frau war auch der Mann Mitglied der Genossenschaft. Andernfalls hätte diese ein besonderes Recht gehabt, das Nutzungsverhältnis zu beenden.

Quelle: OLG Hamburg, Beschl. v. 03.08.2016 – 2 UF 42/16

Thema: Familienrecht