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Schlagwort: grob fahrlässig

Mithaftung aus der Betriebsgefahr: Autofahrer muss trotz alkoholbedingter Ausfallerscheinung eines Fußgängers zahlen

Wenn hierzulande ein Gericht über einen Verkehrsunfall mit einem betrunkenen Bären zu urteilen hat, handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um das Oberlandesgericht Köln (OLG) und das Thema Karneval. Und dass dieses versiert mit solchen Fällen umzugehen weiß, lesen Sie hier.

Der aus dem Rhein-Sieg Kreis stammende Geschädigte war in der Nacht nach Rosenmontag zu Fuß auf dem Weg nach Hause. Er trug ein in dunklem Braun gehaltenes Ganzkörperkostüm als Bär. Er ging entlang einer Bundesstraße, an deren Seite sich ein Fuß- und Radweg befindet. Auf der unbeleuchteten Strecke war eine Geschwindigkeit von 70 km/h zulässig. Wann und wie der mit rund 1,5 ‰ alkoholisierte Fußgänger auf die Fahrbahn der Bundesstraße geriet, konnte nicht geklärt werden. Fakt aber war: Als er von einem Opel Corsa erfasst wurde, befand er sich nicht am Straßenrand, sondern auf der linken Hälfte der Fahrspur.

Das OLG weist in seinem Beschluss darauf hin, dass den Autofahrer durchaus eine Mithaftung aus der Betriebsgefahr von 25 % trifft, den Hauptteil aber der „Bär“ zu tragen habe. Zur Begründung führt der Senat aus, dass dem Fußgänger ein ganz erheblicher Sorgfaltspflichtverstoß zur Last falle, da er sich nachts mitten auf der Fahrbahn befunden habe – doch sei diese enorme Sorglosigkeit als alkoholbedingte Ausfallerscheinung einzuordnen. Obwohl der Fußgänger für die Entstehung des Schadens maßgebliche Ursachen damit grob fahrlässig selbst herbeigeführt habe, habe sich auch die mit einem Kfz verbundene sogenannte „Betriebsgefahr“ in geradezu klassischer Weise verwirklicht. Auch gegenüber einem sich grob fahrlässig verhaltenden Fußgänger hafte ein Autofahrer, wenn er sich selbst nicht wie ein „Idealfahrer“ verhalte. Angesichts der Verkehrssituation, die bei Nacht und Feuchtigkeit besondere Aufmerksamkeit des Fahrers erfordert, sei eine Mithaftung in Höhe von 25 % angemessen – zumal alkoholisierte Fußgänger an Karneval nicht unwahrscheinlich sind.

Hinweis: Ein Mithaftung aus der Betriebsgefahr scheidet nur dann aus, wenn der Unfall für den Pkw-Fahrer unvermeidbar war. So ist beispielsweise das Brandenburgische Oberlandesgericht (Beschluss vom 03.01.2019 – 12 U 133/18) von einer Alleinhaftung einer 15-jährigen Fußgängerin ausgegangen, die durch die Bedienung Ihres Handys abgelenkt unvermittelt – und ohne auf den herannahenden Verkehr zu achten – auf die Straße trat und von einem herannahenden Bus erfasst wurde.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 06.03.2020 – 11 U 274/19

Thema: Verkehrsrecht

Vollkasko haftet voll: Sommerbereifung im Winter stellt nicht zwingend eine grobe Fahrlässigkeit dar

Eine Kürzung der Leistungen aus der Vollkaskoversicherung ist nur möglich, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Der Fahrer eines Pkw kam im Januar gegen fünf Uhr morgens mit seinem Pkw von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Da sein Fahrzeug nur mit Sommerreifen ausgestattet war, übernahm seine Vollkaskoversicherung auch nur 50 % der entstandenen Reparaturkosten mit der Behauptung, das Fahren mit Sommerbereifung zur Winterzeit sei als grob fahrlässig anzusehen.

Das Amtsgericht Papenburg hat die Versicherung zur Zahlung der restlichen Reparaturkosten verurteilt. Eine Kürzung ihrer Leistungspflicht aus dem Kaskovertrag wäre nur dann möglich gewesen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall in der Tat grob fahrlässig herbeigeführt hätte.

Im vorliegenden Fall hat der Versicherungsnehmer jedoch nicht grob fahrlässig gehandelt, obwohl er noch mit Sommerreifen fuhr. Denn in Deutschland besteht keine generelle Winterreifenpflicht. Weiterhin berücksichtigte das Gericht, dass zum Unfallzeitpunkt am Unfallort die Temperatur bei 1,8 °C und die relative Luftfeuchtigkeit bei 87 % lagen, wobei weder Schnee noch Regen gefallen waren. Bei diesen Wetterverhältnissen war es zwar geboten, mit Winterreifen zu fahren – es fehlte trotzdem an einem erheblich gesteigerten Verschulden des Pkw-Fahrers. Ihm musste sich bei den Gegebenheiten nicht aufdrängen, dass das Fahren mit Sommerreifen besonders gefahrenträchtig war. So habe auch der Beifahrer erklärt, dass es auf der Fahrt bis zum Unfall keinerlei Probleme gegeben habe, insbesondere habe er kein Glatteis bemerkt, die Fahrbahn sei auch nicht rutschig gewesen.

Hinweis: Der Kaskoversicherer ist berechtigt, bei grober Fahrlässigkeit seine nach dem Versicherungsvertrag bestehende Leistungspflicht prozentual zu kürzen. Bei vorsätzlichem Handeln ist er sogar von der Zahlungspflicht gänzlich befreit. Grobe Fahrlässigkeit liegt immer dann vor, wenn schon einfachste – völlig naheliegende – Überlegungen nicht angestellt werden und nicht beachtet wird, was im konkreten Fall jedem Verkehrsteilnehmer hätte einleuchten müssen.

Quelle: AG Papenburg, Urt. v. 10.03.2016 – 20 C 322/15
Thema: Verkehrsrecht