Skip to main content

Schlagwort: Grobe Unbilligkeit

Grobe Unbilligkeit: Beim Versorgungsausgleich ist nicht die Trennungszeit allein ausschlaggebend

Bei Scheidungen kommt es in der Regel zum Versorgungsausgleich, bei dem die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften hälftig zwischen den Parteien aufgeteilt werden. Doch man ahnt es: Es gibt auch hier Ausnahmen. Wie diese aussehen können, zeigt der folgende Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG).

Das Zauberwort für eine solche Ausnahme ist die grobe Unbilligkeit, auf die sich die Ehefrau hier berief. Diese war 26 Jahre und sieben Monate verheiratet, als ihr Mann die Scheidung beantragte. Die letzten acht Jahre und vier Monate hatten beide bereits getrennt gelebt – die Scheidung hätte also schon viel früher beantragt werden können. Aber das war eben nicht geschehen. Der Mann hatte sich zehn Jahre vor der Trennung selbständig gemacht und seither keine Einzahlungen mehr in die gesetzliche Rentenversicherung oder eine vergleichbare Einrichtung erbracht – im Gegensatz zu seiner Gattin. Damit ergab sich ein beachtlicher Anspruch zugunsten des Mannes. Da die gesetzliche Regelung zum Versorgungsausgleich nicht auf die Zeit bis zur Trennung abzielt, sondern auf die bis zur Einleitung desgesetzliche Rentenversicherung, sah die Frau eben jenen Anspruch ihres künftigen Exgatten als grob unbillig an.

Das OLG aber folgte der Einschätzung der Frau nicht. Auch eine lange Trennungszeit allein sei kein ausreichendes Argument, um von einem Fall grober Unbilligkeit ausgehen zu können. Das ist erst dann der Fall, wenn eine Gesamtwürdigung aller wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten zu dem Ergebnis führen, das die Durchführung des Versorgungsausgleichs ungerecht wäre. Es muss demnach mehr als lediglich eine lange Trennungszeit vorliegen.

Hinweis: Die Konsequenz ist klar: Der Ehegatte, der die höheren Versorgungsanwartschaften erwirbt, schadet sich, wenn er mit der Einleitung des Scheidungsverfahrens länger als erforderlich wartet. Handelt es sich dabei um die Seite, die an der Ehe festhalten möchte, steckt diese somit naturgemäß in einem Dilemma.

Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 23.03.2020 – 15 UF 185/19

Thema: Familienrecht

Versorgungsausgleich: Toleriert der eine zeitweise den unsittlichen Lebenswandel des anderen, ist dieser wirkungslos

Bestand eine Ehe bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens länger als drei Jahre, wird mit der Scheidung automatisch der Versorgungsausgleich durchgeführt.

Das bedeutet, dass jeder Ehegatte vom anderen die Hälfte der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften übertragen bekommt. Das kann im Alter zu einer spürbaren Veränderung der Renten- bzw. Pensionshöhe führen.

Gerade wenn ein Ehegatte auf diese Weise in erheblichem Maße Einbußen zu beklagen hat, wird er sich überlegen, wie diese Regelung verhindert werden kann. Ausnahmsweise ist dies möglich, wenn die Durchführung des Versorgungsausgleichs „grob unbillig“ ist. Grobe Unbilligkeit liegt allerdings nicht allein deswegen vor, wenn ein Ehegatte in der Ehezeit hohe Rentenanwartschaften erworben hat, während der andere keine oder kaum welche aufweisen kann. Denn auch für diesen Fall hat der Gesetzgeber die Aufteilung gewollt.

Grobe Unbilligkeit liegt jedoch dann vor, wenn die Aufteilung der Versorgungsrechte im konkreten Einzelfall zu einem unerträglichen Ergebnis führt. Das kann der Fall sein, wenn ein Ehegatte einen „sittlich verwerflichen Lebenswandel“ an den Tag legte. Denn ein solcher soll mit der Übertragung von Versorgungsanrechten nicht auch noch honoriert werden. Geht ein Ehegatte beispielsweise der Prostitution nach, kann es dazu kommen, dass er deshalb von der Altersvorsorge des anderen nicht mehr profitiert. Allerdings – und das war die Besonderheit eines vom Oberlandesgericht Zweibrücken zu entscheidenden Falls – gilt dies nur dann, wenn der eine Ehegatte nichts von solchen Aktivitäten des anderen weiß. Weiß oder erfährt er davon und hält die Ehe dennoch (zunächst) aufrecht, muss er bei der Scheidung seine Rente dennoch teilen.

Hinweis: Für den Versorgungsausgleich zählt die Zeit bis zum Beginn des Scheidungsverfahrens, nicht nur jene bis zur Trennung. Kommt es zur Trennung, tut der Ehegatte, der die höheren Versorgungsanwartschaften erwirtschaftet hat, also gut daran, den Scheidungsantrag nicht länger als nötig hinauszuzögern!

Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.03.2016 – 2 UF 5/16
Thema: Familienrecht