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Schlagwort: Informationsinteresse

Undercover im Hühnerstall: BGH stuft Pressefreiheit höher ein als das Ansehen des Stallbetreibers

Das heimliche Filmen in Tierställen zum Aufdecken widriger Haltungsbedingungen wird seit langem diskutiert und erhitzt vielerorts die Gemüter – nicht nur bei dem immer größer werden Anteil von Menschen, die sich fleischlos ernähren. Nun soll ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) mehr Transparenz in dieses heikle Thema bringen.


Ein Fotograf drang rechtswidrig in zwei Hühnerställe von sogenannten Biobetrieben ein und schoss Fotos von Hühnern mit unvollständigem Federkleid und von toten Tieren. Dann überließ er die Aufnahmen einem Fernsehsender, der sie natürlich ausstrahlte. Dagegen wehrte sich die Betreiberin der Hühnerställe und zog vor die Gerichte. Doch der BGH wies die Klage ab.

Die Verbreitung der Filmaufnahmen verletzte weder das Unternehmerpersönlichkeitsrecht noch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Das von der Fernsehanstalt verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwogen hier deutlich. Denn mit den Aufnahmen wurden keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart. Die Aufnahmen dokumentierten vielmehr die Art der Hühnerhaltung. Und daran hat die Öffentlichkeit grundsätzlich ein berechtigtes Interesse. Denn die Filmaufnahmen informierten den Zuschauer zutreffend – es wurden keine unwahren Tatsachenbehauptungen aufgestellt.

Hinweis: In diesem Fall war die Verbreitung von ungenehmigten Filmaufnahmen also in Ordnung. Klar sollte dennoch sein, dass es sich trotzdem um einen Hausfriedensbruch handelt, sobald ohne Einwilligung des Eigentümers einfach in fremde Ställe eingedrungen wird.

Quelle: BGH, Urt. v. 10.04.2018 – VI ZR 396/16

Amtsmissbrauch: Medienvertreter haben Recht auf Übersendung einer Urteilskopie

Wird ein ehemaliger Innenminister verurteilt, dürfen die Medien darüber berichten. Dazu benötigen sie in der Regel allerdings auch eine Kopie des Urteils.

Eine Zeitungsverlagsgruppe begehrte eine anonymisierte Kopie eines Strafurteils. In der Strafsache ging es gegen den ehemaligen Innenminister eines Bundeslandes. Dieser wurde wegen Vorteilsannahme in zwei Fällen sowie Abgeordnetenbestechung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zur Bewährung verurteilt. Der Präsident des Landgerichts weigerte sich allerdings, der Verlagsgruppe die Kopie zuzusenden.

Schließlich wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen, das der Zeitungsverlagsgruppe Recht gab. Zwar besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Akteneinsicht, wohl aber eine Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen. Es gibt also einen presserechtlichen Auskunftsanspruch von Medienvertretern. Dieser Anspruch gilt allerdings nicht unbegrenzt. Persönliche Angaben und Umstände sind in der Regel zu anonymisieren. Diese Veröffentlichungspflicht erstreckt sich nicht nur auf rechtskräftige Entscheidungen, sondern kann bereits vor Rechtskraft eintreten.

Hinweis: Eine gute Entscheidung. Denn wenn der Innenminister eines Bundeslandes strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird und die Taten auch noch mit dem Amt etwas zu tun haben, besteht ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse.

Quelle: BVerfG, Beschl. v. 14.09.2015 – 1 BvR 857/15

zum Thema: Sonstiges