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Schlagwort: Kollisionsgefahr

Mithaftung trotz Vorfahrt: Wer draufhält, statt angemessen zu reagieren, trägt nach einer Kollision die Schuld zur Hälfte

Konnte der Vorfahrtberechtigte die Kollisionsgefahr frühzeitig erkennen und hatte er hinreichend Zeit, sein Fahrzeug vor der Kollision zum Stehen zu bringen oder auszuweichen, ist von einer hälftigen Haftungsquote auszugehen.

Eine Autofahrerin fuhr in eine Hauptstraße, obwohl sich von links ein vorfahrtberechtigtes Fahrzeug näherte. Dann stand sie mit ihrem Heck quer auf der Fahrbahn, wobei das Heck ihres Fahrzeugs erheblich in die Fahrbahn des Vorfahrtberechtigten hineinragte. Hierbei kam es zwischen beiden zur Kollision.

Obwohl eindeutig eine Vorfahrtsverletzung vorlag, hat das Oberlandesgericht Celle hier eine Schadensverteilung von 50 : 50 vorgenommen. Die Wartepflichtige hat natürlich gegen ihre Pflicht verstoßen, beim Einfahren in die Fahrbahn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Indem sie quer auf der Fahrbahn stand, nachdem sie in die Straße hineingefahren war und damit ein Hindernis darstellte, obwohl sich aus ihrer Sicht von links der Vorfahrtberechtigte näherte, stand das schon einmal fest. Doch eben dieser Vorfahrtsberechtigte hätte die Kollisionsgefahr frühzeitig erkennen können und ausreichend Gelegenheit dazu gehabt, auf die teilweise Blockierung der von ihm befahrenen Fahrspur zu reagieren. Er hätte sein Fahrzeug abbremsen oder leichte Ausweichbewegung nach rechts ausführen und somit die Kollision seinerseits verhindern können. Das Gericht bewertet daher beide Verschuldensanteile gleichwertig.

Hinweis: Grundsätzlich spricht der Beweis des ersten Anscheins für das alleinige Verschulden des Wartepflichtigen bei der Kollision mit dem Vorfahrtberechtigten. Im vorliegenden Fall hat das Gericht allerdings darauf abgestellt, dass den Vorfahrtberechtigten ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls trifft, da er schlicht nicht reagiert hat, obwohl es ihm möglich gewesen wäre.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 19.12.2017 – 14 U 50/17

Thema: Verkehrsrecht

Vermindeter Schadensersatzanspruch: Mitverschulden durch regelwidriges Benutzen einer Busspur

Einen Fahrzeugführer, der unzulässigerweise die Busspur benutzt, um an einem Stau vorbeizufahren, kann ein Mitverschulden an einer Kollision mit einem aus dem Gegenverkehr kommenden Linksabbieger treffen.

Ein Pkw-Fahrer fuhr innerorts rechts über eine Busspur an einem Stau vorbei, um in eine in einiger Entfernung liegende Parklücke einzuparken. Auf der Busspur kam es zu einer Kollision mit einem entgegenkommenden Linksabbieger, dem ein im Stau stehender Fahrer eine Lücke gelassen hatte.

Das Kammergericht Berlin hat dem Geschädigten lediglich 2/3 des ihm entstandenen Schadens zugesprochen. Der Geschädigte muss sich ein Mitverschulden in Höhe von 1/3 zurechnen lassen, denn er befuhr unzulässig die Busspur, die für Pkw nicht freigegeben war. Damit verstieß er gegen die Grundregeln der Straßenverkehrsordnung, laut der die Verkehrsregeln, Verkehrszeichen und Lichtzeichen zu beachten sind. Der vom Geschädigten vorgebrachte Grund für das Befahren der Busspur, um in eine – hinter der Kollisionsstelle gelegene – Parklücke einzufahren, ist nicht geeignet, die Regelabweichung zu erlauben. Der Geschädigte querte die Busspur nämlich nicht etwa nur kurz, sondern fuhr auf dieser geradeaus. Im Hinblick auf die mangelnde Übersichtlichkeit der Verkehrslage wäre es geboten gewesen, in der für den Individualverkehr freigegebenen Fahrspur zu bleiben und den dort stockenden Verkehrsverlauf in Kauf zu nehmen. Durch das vorzeitige Ausweichen auf die Busspur erhöhte der Geschädigte die Kollisionsgefahr mit den die Busspur querenden Verkehrsteilnehmern.

Hinweis: Die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Anspruchsminderung des Geschädigten wegen eines Mitverschuldens beruht auf der Überlegung, dass jemand die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss, der die nach Lage der Dinge erforderlich erscheinende Sorgfalt außer Acht lässt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren.

Quelle: KG, Urt. v. 08.06.2015 – 29 U 1/15

Thema: Verkehrsrecht